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Spory, Dr. Anke

Eine Sendung von

Evangelische Pfarrerin, Bad Homburg-Gonzenheim

Weltkindertag

Weltkindertag

In Berlin wird morgen nicht nur mit Spannung auf den Ausgang der Wahl geschaut. Morgen ist auch Weltkindertag. Er wird in vielen Ländern auf der ganzen Welt begangen, in jedem Land an einem anderen Tag. Morgen wird in Berlin ein Weltkindertagsfest gefeiert. Mit diesem Tag soll an die Kinderrechte auf der ganzen Welt erinnert werden. Die Generalversammlung der UN formulierte 1989 die Kinderrechtskonvention. In ihr sind viele Rechte der Kinder festgelegt worden: Das Recht auf Gleichbehandlung oder das Recht auf Leben und Entwicklung. Jedes Kind soll medizinisch versorgt werden, wenn es krank ist, jedes Kind soll vor Ausbeutung und Missbrauch geschützt werden, Kinder sollen lesen und schreiben lernen dürfen. Dass dies heute immer noch dringend nötig ist, zeigen die immer furchtbaren Nachrichten zum Beispiel von den Textilfabriken in Bangladesh oder Pakistan. Dort arbeiten Kinder für einen Hungerlohn, oft 12 Stunden täglich. Sie werden beschimpft und sind oft genug Opfer von sexuellen Übergriffen.

In Deutschland soll in diesem Jahr vor allem die Chancengleichheit im Zentrum stehen. Der Zugang zur Bildung, so fordert es das Kinderhilfswerk, soll nicht mehr aufgrund des sozialen Hintergrunds des Kindes erfolgen. Auf die Rechte von Kindern aufmerksam zu machen und ihnen Rechte zuzugestehen heißt – hier und weltweit -, die Kinder vom Rand in die Mitte zu holen.

Jesus hat einmal Kinder vom Rand in die Mitte geholt. Im Markusevangelium heißt es: Und sie brachten Kinder zu ihm, damit er sie anrühre. Es ist kein Zufall, dass Markus ein  griechisches Wort für Kinder verwendet, das auch die Sklavinnen und Sklaven bezeichnet. Es sind Sklavenkinder, die zu Jesus gebracht werden. Kinder, die zurzeit von Jesus in der gesellschaftlichen Rangordnung ganz unten stehen. Sie bedienen an den Tischen der Erwachsenen, sie ziehen den Gästen die Sandalen aus und übernehmen Hilfsarbeiten. Seine Jünger meinen, die Kinder hätten bei Jesus nichts zu suchen. Sie verscheuchen die Eltern mit den Kindern. Jesus weist die Jünger zurecht und segnet die Kinder.

Zu den Erwachsenen sagt er: Lasst die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solchen gehört das Reich Gottes. Die Kinder werden als die sozial Schwächsten aufgenommen und angenommen. Ich finde das sehr stark. Denn Jesus sagt damit ja: Das Reich Gottes wird dort sichtbar, wo die aufgenommen und angenommen werden, die in der Gesellschaft als Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Kinder vom Rand in die Mitte holen. Morgen am Weltkindertag wird daran erinnert. In einer Gesellschaft braucht es Menschen, die genau das tun: Sich für andere einsetzen und verantwortlich fühlen. Es braucht Menschen, die genau hinschauen, wo Rechte von Kindern begrenzt werden, und welche Strukturen dazu führen, dass Kinder wegen ihrer sozialen Herkunft ungleich behandelt werden.

Kinder sind unsere Zukunft, so hört man es manchmal. Nein, Kinder sind unsere Gegenwart. Sie sind nicht dazu da, dass wir in 20 Jahren keinen Facharbeitermangel haben oder damit unsere Rente gesichert ist. Kinder haben Rechte und Ansprüche, weil sie da sind, weil sie heute da sind. Und wenn ihnen aus irgendwelchen Gründen diese Rechte und Ansprüche nicht zugestanden werden, ist es gut, wenn jemand den Finger in die Wunde legt. Kinder vom Rand in die Mitte holen. Das ist heute leider noch genauso notwendig wie vor 2000 Jahren.