Teufel
Über jeder Woche steht für viele Christen ein Bibelvers, der Wochenspruch. In dieser Woche stammt er aus dem 1. Johannesbrief im Neuen Testament und kling erst einmal etwas fremd: „Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre.“ (1.Johannes 3,8b). Der Teufel begegnet einem nur noch als Narrenkostüm im Karneval. Und in der Kronberger Kirche St. Johann habe ich neulich auch eine Teufelsdarstellung gesehen: Auf dem großen Wandgemälde aus dem 17. Jahrhundert, das das jüngsten Gericht darstellt.
Damals fürchteten sich die Menschen vor dem Teufel. Für sie war er eine Realität. Heute ist uns die Angst vor dem Teufel vergangen - Gott sei Dank! Da hat sich der christliche Glaube durch die Jahrhunderte gewandelt; und die Figur mit Hörnern, Klumpfuß und Schwefelgeruch taugt wirklich nur noch als Witzfigur. Aber was ist mit der Wirklichkeit, die Menschen früherer Generationen mit diesem Bild beschrieben haben? Mit der Wirklichkeit, dass das Böse eine Macht ist, die Menschen ergreifen und beherrschen kann? Diese Erfahrung ist nicht damit erledigt, dass wir uns vom Bild des Teufels verabschiedet haben. Sie begegnet uns immer wieder.
„Was ist da eigentlich in dich gefahren?“, frage ich mich manchmal; z.B., wenn ich auf der Autobahn auf einmal aggressiv gefahren bin. So, als hätte mich da irgendetwas gepackt und dazu gebracht, mich so zu verhalten, wie ich es eigentlich gar nicht will. Aber letzten Endes habe ich mich da ja noch unter Kontrolle und kriege mich schnell wieder ein. Es gibt aber auch andere Erfahrungen von der Macht des Bösen, die Menschen ergreift. Was hat die Männer in Indien getrieben, als sie die junge Studentin so brutal vergewaltigten, dass sie schließlich gestorben ist? Was treibt Selbstmordattentäter, die sich mit unschuldigen, unbeteiligten Menschen in die Luft sprengen? Was treibt Amokläufer, die in Schulen Kinder und Erwachsene erschießen? Man mag vieles psychologisch oder anders erklären können – und trotzdem bleibt diese Frage.
Und die Erfahrung: Das Böse ist eine Macht, die Menschen ergreifen und beherrschen kann. Und vielleicht bleibt uns angesichts solcher Erfahrungen auch nichts anderes, als mit dem Vater Unser zu beten: „Erlöse uns von dem Bösen“. Trotzdem glaube ich nicht an den Teufel, sondern an Jesus Christus. Er ist gekommen, um die Werke des Teufels zu zerstören – durch die Macht der Liebe. Er hat gezeigt, dass Gottes Macht der Liebe stärker ist als die Macht des Bösen, dass sie das Böse überwindet. Vor dem Teufel Angst zu haben brauchen wir nicht. Aber ernst nehmen müssen wir die Macht des Bösen. Dass nicht sie uns bestimmt, sondern Gottes Macht der Liebe, darauf können wir achtgeben – und Gott täglich darum bitten.