Springen - Psalm 18
Für die Sommerferien habe ich mir ein paar Dinge vorgenommen, die sonst zu kurz kommen. Eins ist zum Beispiel, dass ich mal wieder springen will. Ich weiß nicht, wie viele Jahre ich nicht mehr bewusst gesprungen bin. Im Alltag gehe ich, laufe ich, manchmal renne ich sogar, ich schwimme oder fahre Rad. Aber springen, das ist lange her, dass ich mir einen richtigen Sprung geleistet hätte. Dabei liegt auf dem Springen ein Segen. Springen macht Stimmung, es führt Leib und Seele zusammen und hilft, mit sich selbst im Gepäck ganz woanders anzukommen.
Und das geht sogar, wenn man nur einen ganz kleinen Sprung tut, z.B. in der Küche, jetzt gleich nach dem Frühstück. Man legt sich ein Stück Papier, eine Küchenrolle oder ein Tablett auf den Boden und springt drüber. Oder wenn man aus dem Auto aussteigt auf dem Parkplatz: den Autoschlüssel oder die Tasche auf den Boden gelegt – und drüber gesprungen. Was das bringt? Es lässt mich einen kleinen Moment abheben, lässt mich loslassen. Fragt man die Bibel, dann stellt sich heraus, dass schon zu alten Zeiten, das Springen geschätzt wurde. In Psalm 18 (V. 30) heißt es: „Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen.“ Gott, so hört sich das doch an, Gott gibt Sprungkraft. Und das nicht nur für kleine Sprünge, sondern auch für große über ganze Mauern.
Es gibt eine Pfarrerin, Gisela Matthiae, die zugleich auch Clownin ist, das ist eine interessante, witzige Mischung, die sie in sich verbindet. Und diese Pfarrerin-Clownin empfiehlt in ihrem neuen Buch ebenfalls zu springen. Sie gibt Kurse zum Glauben und zum Lachen. Diese Kurse beginnen immer damit, dass die Leute einen Sprung wagen müssen. Sie geht mit ihnen hinaus auf eine Wiese, alle legen irgendetwas, das sie gerade greifen können, vor sich hin und dann springen sie darüber. Matthiae beschreibt das so: „Hoch und weit, mit ausgebreiteten Armen, fliegenden Haaren und flatternden Hosen. Beim Landen geraten wir in eine Pose, die wir versuchen zu halten. Damit bündeln wir die Energie, der wir sogar noch einen stimmlichen Ausdruck verschaffen: In dem Moment, in dem der Boden berührt wird, rufen wir ein deutliches ‚Ja! ‘ aus. Und das heißt so viel wie: ‚Ja, ich bin’s! ‘ – ‚Hallo, hier bin ich! Ein Blick in die Philosophie und Theologie enthüllt noch mehr über den Sprung und das Springen. Da ist z.B. der dänische Philosoph und Theologe Sören Kierkegaard. Man kann ihn geradezu als einen Denker des Sprungs bezeichnen. Er sieht den Glauben als einen Sprung ins Leben mit Gott. Da kommt man kaum hin, wenn man sozusagen nur einen Fuß vor den anderen setzt.
Das Wesentliche im Leben ist nicht dadurch erreichbar, dass man kontinuierlich die eigene Leistung steigert. Das Wesentliche im Leben wird beim Springen erreicht. Es sind die Sprünge, die Menschen zu neuen Perspektiven anregen. Wenn man sich traut, wenigstens kurz los zu lassen, Abstand zu nehmen und Kontrolle abzugeben. Und das hat viel mit dem Glauben zu tun. Man muss einmal wenigstens ein bisschen abheben und zu fliegen beginnen. Dass man dabei den Kopf verliert, hat eigentlich noch niemand berichtet. „Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen.“ Das alte Psalmwort denkt den Sprung sehr groß und hoch wie eine Mauer. Doch dahin kommt nur, wer‘s mal im Kleinen probiert und überhaupt einen Sprung wagt. Und wenn es nur über die Küchenrolle ist.