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Tönges-Braungart, Michael

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Bad Homburg

Sportpalast

Sportpalast

Heute vor 70 Jahren stellte Reichspropagandaminister Joseph Goebbels 14.000 begeisterten Zuhörern im Berliner Sportpalast die Frage:  „Wollt ihr den totalen Krieg?“ Und die Menge klatschte und trampelte und schrie: Ja! Im Rundfunk und in den Wochenschauen wurden die Aufnahmen verbreitet – mit der Absicht, dass der Funke der Begeisterung überspringen sollte.

Wenn ich die Bilder davon sehe, läuft mir ein Schauer über den Rücken. Und ich frage mich: Wie kann das sein, dass Menschen sich so in die Irre führen lassen? Und wie manipulierbar sind wir? Nun sind die Zeiten von damals vorbei. Aber die Frage bleibt: Wie manipulierbar sind wir?

Wenn die Nazis die weltweite Kommunikation in Echtzeit via Internet gehabt hätten – wie viele Menschen wären ihrer Propaganda dann verfallen? Natürlich – gerade das Internet ist auch ein Medium der Freiheit, der Gedankenfreiheit. Nicht umsonst schränken totalitäre Staaten und Diktaturen als erstes den Internetzugang ihrer Bürger ein und üben Zensur – meist mit begrenztem Erfolg.

Auf der anderen Seite: Diese Freiheit im weltweiten Netz hat auch ihre Schattenseiten. Gerade weil das Internet sich der Kontrolle letzten Endes entzieht oder sie zumindest sehr schwierig macht, tummelt sich dort vieles, was gefährlich oder kriminell ist. Und nicht immer ist das auf den ersten Blick zu erkennen. Das haben schon viele auf bittere Art und Weise lernen müssen.

Manchmal wird man ja nur durch die eigenen Fehler klüger. Aber nicht alles muss man auf diese Weise lernen. Deshalb begleiten wir der evangelischen Kirche Kinder und Jugendliche auf ihrem Weg und bieten ihnen dabei Orientierung durch den christlichen Glauben. Dazu gehört auch, dass wir versuchen, sie im Umgang mit den Medien, vor allem mit dem Internet und den Handys, fit zu machen. Dass wir sie sie sensibel dafür machen, welchen Informationen sie trauen können – und welchen nicht. Dass wir ihnen Hilfe dabei anbieten zu erkennen, wann sie manipuliert werden sollen. Und auch ein Gespür zu bekommen für das, was sie in den sozialen Netzwerken selber anrichten können - z.B. mit Fotos, die sie ins Netz stellen oder mit abfälligen Bemerkungen über andere, die schnell weite Kreise ziehen und nie mehr zurückgeholt werden können. Das gehört heute auch zu christlicher Jugendarbeit.

Und was das Wichtigste ist: Wir bleiben mit ihnen im Gespräch. Im Gespräch auch über die Maßstäbe für das, was harmlos ist und was ge-fährlich; welches Gedankengut menschenverachtend ist; wo man sich getrost beteiligen kann; und wo man ganz entschieden Nein sagen sollte. Im Gespräch über den Respekt, den jeder Mensch verdient hat – auch im virtuellen Netz. Kinder und Jugendliche brauchen dieses Gespräch –  und sie brauchen Gesprächspartner. Damit sie mündig werden und bleiben.