Sinn und Geschmack fürs Unendliche
Im Skiurlaub rund um Ostern. Über Nacht ist Schnee gefallen. In der Ebene des Alltags wäre das jetzt Anfang April nur noch nervig. Aber hier oben in den Bergen sieht es einfach herrlich aus: Der Schnee glitzert in der Sonne wie eine geöffnete Schatztruhe. Die Berge um einen herum liegen groß und mächtig im goldenen Licht.
Mit dem Lift geht es hoch hinaus, dann auf die Ski und hinein in diese wundervolle Welt. Die kalte, klare Luft füllt die Lungen und putzt einen von innen heraus durch. Mit jedem Schwung, mit jeder Bewegung scheint man mit der Schöpfung zu verschmelzen. Vor Freude über so viel Schönheit stößt man einen Juchzer aus. Man würde am liebsten die ganze Welt umarmen.
Ein Lebensgefühl wie: Ich bin ein Teil dieses Universums. Ein Mensch inmitten der gewaltigen Berge. Nicht so alles entscheidend, wie ich manchmal meine. Die Welt dreht sich nicht um mich, aber ich bin eben doch ein Stück von ihr, der dazu gehört. Wie in dem Lied aus Kindertagen: „Weißt du, wie viel Sternlein stehen, weißt du, wie viel Wolken gehen weithin über alle Welt? Gott der Herr hat sie gezählet, dass ihm auch nicht eines fehlet (…) kennt auch dich und hat dich lieb.“
Der Theologe und Philosoph Friedrich Schleiermacher meinte, Religion sei „Sinn und Geschmack fürs Unendliche“. Alles um mich herum ist endlich. Nichts ist ewig. Nicht der Schnee, der in der Sonne schmilzt und früher oder später dem Frühling weicht. Nicht das Bergmassiv, das scheinbar unbewegt über allem thront und an dem doch die Kräfte von Veränderung und Vergehen wirken.
Ich selbst zwischen Schnee und Berg bin endlich. Und doch scheint jedes Endliche manchmal über sich selbst hinauszuweisen in Richtung Unendlichkeit. Sinn und Geschmack fürs Unendliche. Manchmal meldet sich dieser Sinn. Eine Zeit lang schweigen die unerledigten Aufgaben, anstehenden Termine, Ärger und Nervigkeiten, Sorgen und offene Fragen.
Sie haben ihre Wichtigkeit, aber jetzt im Augenblick haben sie Pause. Der Sinn wird wach für das, was stimmig ist. Für einen Moment hebt sich der Vorhang und man kann erahnen, wie um einen herum eins mit dem anderen verbunden ist und zusammengehört. Man ist in solchen Augenblicken ganz bei sich ist und wird zugleich über sich selbst hinausgeführt.
Ich erlebe das als Erfahrung tiefer Verbundenheit: Ich bin verbunden mit mir selbst, mit anderen, mit der Welt um mich herum und noch weiter mit Gott. Der Reiz für unseren Sinn und Geschmack fürs Unendliche lässt sich nicht herstellen oder herbei zwingen. Aber man kann diesen besonderen Sinn und Geschmack wach und offen halten – und dann die Sensation genießen, wenn sie sich bietet.
Ob Sie gerade die Welt umarmen möchten und jauchzen oder lieber still sind, ob Sie in seliger Zweisamkeit schwelgen oder im fröhlichen Trubel mit vielen anderen: Ein sinnvolles und sinnenfrohes Wochenende!