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Eine Sendung von

Evangelische Pfarrerin und Professorin für Religionspädagogik, Würzburg

Schöpfungsordnungen, Ehe, Familie, Patchwork

Schöpfungsordnungen, Ehe, Familie, Patchwork

„Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei.“ (Gen. 2, 18) Mit diesem biblischen Satz leitet die Evangelische Kirche in Deutschland ihr nun gut sechs Wochen altes Papier zu Familienfragen ein. Diese sogenannte „Orientierungshilfe“ hat für ziemlich heftige Diskussionen gesorgt. Denn: der Schwerpunkt beim Familienbild ist neu ausgerichtet.

Es geht der Evangelischen Kirche darum, dass jeder Menschen ein eigenständiges Individuum ist und zugleich als solches auf ein Du, ein Gegenüber, angewiesen ist. Das Individuum steht im Blickpunkt, nicht mehr das Geschlecht. Ob man Mann oder Frau ist, hat keine normative Bedeutung mehr. Da gibt es die herkömmliche Familie, Vater, Mutter und ein oder zwei Kinder. Diese Familienform wird weiterhin hoch geschätzt. Doch daneben wächst die Anzahl von weiteren Familienmodellen: Patchworkfamilien, hetero- und homosexuelle Beziehungen mit und ohne Kinder.

Wenn man sich nun fragt, warum die Evangelische Kirche sich für homosexuelle Minderheiten und für andere Familienkonstellationen, die meistens irgendwie an ihrem ehelichen Miteinander gescheitert sind, so stark macht und nicht das Leitbild der Mann-Frau-Ehe weiter als ihre Nummer 1 beschreibt, dann gibt es mindestens zwei Antworten. Erstens: Es geht darum, gegen die Diskriminierung von Menschen einzutreten, die der traditionellen Norm der Heterosexualität nicht entsprechen oder nicht entsprechen können. Denn hier zeigt sich, ob eine Gesellschaft für alle ihre Mitglieder faire Lebensmöglichkeiten bereit stellt. Religiös gesprochen heißt das: Vor Gott werden die Kinderwünsche aller Frauen und Männer gleich gut angesehen, seien sie nun hetero- oder homosexuell orientiert. Das führt zum zweiten Argument: Es geht der Evangelischen Kirche in Deutschland vor allem um die Unterstützung des Zusammenlebens mit Kindern. Es sind vor allem die Kinder, die Schutz, Unterstützung, Aufmerksamkeit und Anerkennung brauchen.

Das Papier der Evangelischen Kirche in Deutschland hat in den eigenen Reihen und auf der römisch-katholischen Seite Widerspruch hervorgerufen. Man habe sich vom Primat der christlichen Ehe verabschiedet. Ich denke, das stimmt auch. Doch dieser Abschied ist unumgänglich. Bereits zu lange verdeckt das Idealbild der Ehe die realen Familien- und Partnerschaftsbilder. Politik und Religion haben in den letzten einhundert Jahren daran gebaut, dass die Ehe als gesellschaftliche Institution und zugleich als die heilige Lebensform kommuniziert wurde. Doch das Zusammenleben der Geschlechter ist – man muss sagen wieder – vielfältiger geworden. Die heterosexuelle Kleinfamilie ist eine typisch moderne Erscheinung. Vor der Moderne und nachher, also heute, in der Spätmoderne, gab und gibt es viele verschiedene Lebensformen. In allen leben Paare mit oder ohne Kinder, verantwortungsbewusst, Fehler und Scheitern inbegriffen. Das war zu Zeiten von Johan Sebastian Bach so und das kann man heute, vor allem auch im Osten der Republik, sehen.

Deshalb sollte man Menschen auf den Wegen stärken, die sie selbst verantwortlich und liebevoll gehen. Sei es eine Ehe oder sei es eine registrierte Partnerschaft, eine Patchworkfamilie oder eine Partnerschaft ohne Trauschein. Der Segen Gottes gilt ihnen allen. Es ist gut, wenn der Mensch nicht allein ist.