hr2 ZUSPRUCH
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Schoen, Dr. Ursula

Eine Sendung von

Prodekanin, Evangelisches Stadtdekanat Frankfurt

Saxophontöne

Saxophontöne

Ein Saxophonton schwebt durch einen Raum – wird lauter und leiser. Langsam tastet er die Wände ab, entdeckt Widerstände und Durchlässigkeit, lässt sich nach oben tragen und in die Tiefe fallen! Der Musiker Bastian Fiebig hat mit seinem Saxophon Frankfurter Kirchen auf diese ungewöhnliche Weise erkundet. Überraschend für den Hörer ist, dass jeder Raum die Töne auf ganz eigene Weise formt: Stumpf oder nachschwingend, klar oder gedämpft.

Die eindrücklichsten Hörerfahrungen dieser Aufnahmen sind die Augenblicke, wenn das Saxophon schweigt. Pausen, in denen Instrument und Raum gewissermaßen gemeinsam dem zarten Nachhall ihrer Begegnung lauschen…dem Wagnis der Begegnung nachspüren. Im Schöpfungsbericht, den das 1. Buch Mose überliefert, heißt es:

Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser. Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. Und Gott sah, dass das Licht gut war. (Genesis 1,1-4).

…und Gott sah, dass das Licht gut war… es scheint, als ob der Schöpfer dem Nachhall seiner Worte nachspürt und am Ende befindet: es ist gut! Die Bibel beschränkt das schöpferische Handeln nicht auf den Anfang der Zeit – als einmaliges Werk Gottes. Sie sieht Menschen als Mitwirkende an der Schöpfung - als „Mitschöpfer und -schöpferinnen“. Sie sieht sie nicht nur als „Macher“, die nur Vorgegebenes abarbeiten, sondern die mitwirken an dem Prozess, der aus dem Dunkel Licht und aus dem Chaos Gutes entstehen lässt.

Das Lauschen auf den Nachhall hat mich nachdenklich gemacht. Wann spule ich im Alltag nicht nur einen Pflichtenkatalog ab, sondern spüre der Wirkung meiner Arbeit nach? Wann erlebe ich mich selbst als Subjekt, das durch seine Worte und seine Handlungen etwas bewirkt – Gutes bewirkt und damit Teil hat am Schöpferwerk Gottes? Die Ordnung meines Lebens sieht die Pause, in der ich auf den Nachhall lausche, eigentlich nur am Sonntagmorgen vor. Und doch brauche ich sie im Grunde täglich, diese Atempause, in der ich mich selbst wahrnehme als von Gott erwählte „Mitschöpferin.“ Der Saxophonton wird leise – zum letzten Mal warte ich auf den Nachhall.