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Eine Sendung von

Pastorin im Bund evangelisch-freikirchlicher Gemeinden, Marburg

Mutter sein - mütterlich sein

Mutter sein - mütterlich sein

Noch habe ich keine eigenen Kinder, aber ich denke gerne darüber nach, wie es ist, Mutter zu sein. Weil ich nicht weiß, ob ich mal eigene Kinder bekommen werde, frage ich mich, wie ich außerhalb der klassischen Mutterrolle mütterlich sein kann, also auch für andere Menschen, nicht nur für eigene Kinder.

Wenn jemand einem mütterlich begegnet, kommt ja eine ganz kostbare Qualität in die Welt. Wenn ich an meine eigene Mutter denke, dann erlebe ich diese Qualität in der Art und Weise, wie sie für mich da ist. Ich bin bei ihr immer willkommen. Wenn wir miteinander reden, merke ich, dass es sie interessiert, was ich denke. Ich fühle mich bei ihr frei und angenommen. Das ist für mich ein großes Geschenk.

Ich glaube, Mütter sind wichtig, sie werden gebraucht, nicht nur von kleinen Kindern. Diese Sehnsucht danach, eine Mutter zu haben, sehe ich zum Beispiel in der katholischen Tradition der Marienverehrung. Auch wenn ich meinem evangelisch-freikirchlichen Glauben in anderen Formen Ausdruck gebe, so kann ich inzwischen den Gedanken nachvollziehen: Es fällt wohl manchen Menschen leichter, mit ihren Sorgen zu einer Mutter zu kommen – und so ist es dann für sie auch, wenn sie beten. Künstler haben das über viele Jahrhunderte in der so genannten „Schutzmantelmadonna“ dargestellt: Auf diesen Bildern breitet Maria einen ganz weiten Mantel aus, unter dem viele Menschen Platz finden. Ganze Berufsgruppen bergen sich im Schutze dieses Mantels. So zeigen es die Gemälde.

Für mich sind die biblischen Bilder wichtig, die von der mütterlichen Seite Gottes erzählen. Beim Propheten Jesaja ist die Rede davon, dass Gott sein Volk Israel tröstet, wie einen seine Mutter tröstet. Getröstet werden, wie einen seine Mutter tröstet - das beziehe ich gerne auch auf mich, und es tut mir gut, von Gott als solch einem Zufluchtsort zu denken.

Und mir tut es gut, Frauen zu begegnen oder von ihnen zu hören, die mütterlich sind, egal ob sie Kinder haben oder nicht. Im letzten Jahr habe ich eine Frau beerdigt, die in meinem Augen auch eine Mutter war. Sie hatte keine eigenen Kinder, aber sie war eine sehr engagierte Chefin. Sie war für mehrere Supermarktfilialen zuständig gewesen und einige hundert Mitarbeiter. Viele sind zu ihrer Beerdigung gekommen. Die Trauer in den Gesichtern dieser Menschen erzählte davon, wie viel ihre Chefin ihnen bedeutet hat. Sie war für sie da gewesen, sie hat andere gefördert und auch geschützt. Wie ist sie zu einer Mutter für sie geworden? Sie war verantwortungsbereit. Sie hatte klein angefangen und später nicht vergessen, wie es ist, an einer Supermarktkasse zu sitzen. Sie war umsichtig und offen für die Fragen anderer. Wenn Probleme auftraten, hat sie sich gekümmert.

An ihrem Beispiel erkenne ich, wie es aussehen kann, mütterlich zu sein, auch wenn keine eigenen Kinder da sind. Ich stelle mir es schön vor, wenn Frauen, jung und alt, ihre mütterliche Seite entdecken und den Menschen in ihrem Umfeld damit etwas Gutes tun. Ich glaube, es wird ein bisschen wärmer.