Mensch, ärgere dich nicht
Ein Wochenende mit Freunden. Irgendwann am Abend holt einer die alte Spielesammlung heraus, die er für alle Fälle mitgenommen hat. „Mensch, ärgere dich nicht“ ist mit dabei. „Das habe ich ja ewig nicht gespielt!“, tönt es in der Runde. Schnell werden die Spielregeln aus der Erinnerung aufgefrischt und schon rollen die Würfel.
Beim Spiel lernen sich die langjährigen Freunde von ganz anderen Seiten kennen. Die eine, die sonst so warmherzig ist, schmeißt eiskalt eine Spielfigur nach der anderen raus, die sich ihr in den Weg stellt. Ein anderer zeigt sich gewöhnlich absolut souverän. Nichts kann ihn erschüttern oder aus der Ruhe bringen. Jetzt beim Spiel ärgert er sich schwarz und fährt fast aus der Haut, weil er mit seinen Spielfiguren mit Einsern und Zweiern dahin kriecht und einfach nicht zum Ziel kommt.
„Mensch, ärgere dich nicht!“, rufen ihm die anderen zu. Das bringt ihn erst recht in Rage. Das Spiel zeigt den Freunden, was noch so alles in ihnen selbst und den anderen steckt. Spielen kommt schon in der Bibel vor in überraschendem Zusammenhang. Die Weisheit wird als verspielte Person dargestellt, sie spielt zu Gottes Füßen, während der Allmächtige die Grundfeste für die Erde legt. (Sprüche 8, 22 ff) Spielen ist biblisch gesehen etwas Ursprüngliches und Weisheit ist mit im Spiel.
Der legendär weise König Salomo und die Königin von Saba liebten Quizspiele. Die Königin von Saba kam extra aus dem heutigen Jemen zu Salomo nach Jerusalem, um ihn mit Rätselfragen zu prüfen. Die Begegnung zwischen den beiden kann man sich wie ein Vorläufer von „Wer wird Millionär?“ vorstellen. Die Königin war von Salomos Antworten so angetan, dass sie ihm hundertzwanzig Zentner Gold und noch dazu Edelsteine gab. (1. Könige 10)
Was macht Spielen so reizvoll? Der Mensch „ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“, meinte Friedrich Schiller (Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen (1795), 15. Brief). Spielen regt Phantasie, Kreativität, Wissen und Wettkampfgeist an. Ist ja nur ein Spiel, kann man sich sagen und sich gerade deshalb in eine ganz andere Rolle als die gewohnte begeben und die anderen auch von ganz anderen Seiten kennenlernen. Altbekanntes kann so durchbrochen und überraschend Neues entdeckt werden. Freilich nur, solange das Spiel nicht in bitteren Ernst umschlägt.
Ein Spiel ist dann Gewinn und Freude, wenn es auf das Zusammenspiel aller setzt, wenn es weder einschüchtert noch blind vor Ehrgeiz macht, sondern lockt und ermutigt mitzumachen. Der Theologe Ernst Lange hat einmal das Spiel mit dem verbunden, was der Gottesdienst bringen soll. Er schrieb: „Das Spiel vom kommenden Frieden, vom verheißenen Frieden des Gottesreiches so inszenieren, dass Menschen Mut gewinnen, den Möglichkeiten des Friedens heute, morgen und übermorgen mehr zu trauen und darum auch mehr dafür zu tun.“ (Was nützt uns der Gottesdienst?, in: Predigen als Beruf, 95)
Spiel vom kommenden Frieden – diese Vorstellung macht mir Mut, den Tag spielerisch anzugehen! Mensch, ärgere dich nicht.