Liebesschlösser - Brücken - Treue
Es gibt eine weltweite Bewegung, in der sich Menschen einander öffentlich ihre Liebe versprechen. Sie tun dies, indem sie an einem Brückengeländer ein Liebesschloss aufhängen. Jedes Schloss zeigt, wie sehr Menschen einander lieben, jedes Schloss steht für Hoffnung, für Vertrauen und für Treue zueinander. Ich glaube, dass das gut ist, wenn zwei Menschen sich einander ein Versprechen geben. Denn wenn man einander etwas verspricht, dann wächst man über sich hinaus, zeigt an wem man hängt und worauf man im Leben baut. Letztendlich ist so ein Liebesschloss ein Vertrauensbeweis: Ich liebe Dich und vertraue Dir und ich traue unserer Liebe viel zu, so viel, dass wir eine gemeinsame Zukunft planen können.
Die Liebesschlösser gibt es seit gut fünfzehn Jahren rund um die Welt. Ob in Moskau, New York, Paris und Rom, ob in Kassel, Marburg oder in Frankfurt am Main: Überall finden sich an Brückengeländern einfache Vorhängeschlösser aus Eisen. Man lässt sich die Initialen eingravieren und vielleicht noch ein Herz dazu. Dann geht das Paar auf eine Brücke, beide versprechen sich ihre Liebe, schließen das Schloss am Geländer an und zum Abschluss werfen sie den Schlüssel von der Brücke herunter ins Flusswasser. Dort fällt er in die Tiefe, neben ihm dutzende von weiteren Schlüsseln, die zu den Schlössern gehören, die man oben auf der Brücke am Geländer sehen kann.
Einerseits wird dieses Ritual auf viele Leute übertrieben wirken. Andererseits kann auch sehen, dass es einen regelrechten Tourismus in Sachen Liebesschlösser gibt. Wer selbst keins aufhängen will, sieht sich gern einmal die Schlösser von anderen an. Man kann die Liebesschlösser kitschig finden und dass man lieber etwas vorsichtiger sein sollte, als dem Versprechen ewiger Liebe zu trauen. Aber wenn ich an den christlichen Glauben denke, dann fange ich an, das doch etwas anders zu sehen. In biblischen Texten ist andauernd von Versprechen die Rede. Gott verspricht einzelnen Menschen und einem ganzen Volk, mit ihm zu gehen, es nicht zu verlassen. Das ist zentral für den ganzen Glauben. Gott verheißt dem Menschen seine Nähe. Und wo der Mensch und Gott beieinander bleiben, da verspricht Gott sogar ewiges Leben (1. Joh. 2, 24ff).
Aus biblischer Perspektive kann man also sagen: Wer es wagt, sich auf das Versprechen, das Gott gibt, einzulassen, für den kann sich das Leben bereits jetzt sehr verändern. Für den christlichen Glauben ist Gottvertrauen das höchste Gut im Leben. Wer sich Gott anvertraut, dem wird das ewige Leben, ein Leben in Fülle und ohne Angst vor dem Abschied nehmen. Es geht darum, auf das Versprechen Gottes zu vertrauen.
Meiner Ansicht nach ist es unter Menschen sehr ähnlich: Die Liebesschlösser werden aufgehängt, weil es zwei Leute für möglich halten, dass ihr Versprechen etwas bewirkt. Sie hoffen, dass es ihr Vertrauen ineinander stärkt. Und schließlich sind es wohl die Kinder, die am häufigsten an die Macht von Versprechen erinnern. Das Sprichwort „Versprochen ist versprochen und wird auch nicht gebrochen“ steht dafür. Und ich glaube, dass auch die unzähligen Liebesschlösser in aller Welt genau davon sehr viel aussagen: dass Versprechen oft gebrochen werden. Die metallenen Schlösser werben für das Gegenteil. Sie werben dafür, sich im Vertrauen zu üben und gegen anderslautende innere und äußere Stimmen aneinander festzuhalten.