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Tönges-Braungart, Michael

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Bad Homburg

Geburtstag

Geburtstag

Heute wird sie 15! Und dabei kommt es mir doch wie gestern vor, dass ich unsere Tochter als neugeborenes Kind in meinem Arm hielt. Damals reichte sie mir gerade von den Fingerspitzen bis zum Ellenbogen. Und heute steht ein junges Mädchen vor mir – nein, eine junge Frau. Damals das Baby, das ganz und gar auf uns angewiesen war, das wir umsorgen und behüten mussten. Und heute ein Teenager, der mehr und mehr eigene Wege geht. Sie braucht uns immer noch und lässt sich immer wieder mal auch gerne umsorgen – aber behüten lässt sie sich nicht mehr.

Natürlich fällt mir das nicht erst heute auf. Aber ihr 15. Geburtstag macht mir das besonders bewusst. Es ist gut, dass es solche besonde-ren Tage gibt wie Geburtstage oder andere Jubiläen. Sie sind wie Inseln im Fluss der Zeit, auf denen wir kurz Rast machen und uns erinnern: Wo kommen wir her? Und uns fragen: Wo gehen wir hin? Wenn es solche Inseln nicht gäbe, dann würden wir Gefahr laufen, das Gespür dafür zu verlieren – vielleicht sogar uns selber zu verlieren und die Menschen, die wir lieben.

An jede Minute dieses Tages vor 15 Jahren kann ich mich noch erinnern und an den Tag, als ich meine Frau mit ihr aus der Klinik nach Hause holte; an die Zeit in der Krabbelgruppe und im Kindergarten; den ersten Schultag; die ersten Meter auf Fahrrad und Skiern; die ersten Reisen ohne uns auf den Reiterhof oder auf Klassenfahrt; die Konfirmation im letzten Jahr. Und auch an die schmerzlichen Erfahrungen: den Tod der Oma; den Umzug und den Abschied von Freunden; den ersten Liebeskummer.

Und jetzt: Nur noch ein paar Jahre, dann wird sie wahrscheinlich aus dem Haus gehen zur Ausbildung oder zum Studium. Natürlich wird sie uns als Eltern noch brauchen – aber sie wird uns anders brauchen als bisher. Vor allem, dass wir sie loslassen; dass wir zulassen, dass sie ihren eigenen Weg findet – auch wenn er vielleicht anders aussieht, als wir uns das wünschen. Immer weniger Grenzen werden wir ihr setzen dürfen – und müssen – und hoffen, dass sie unsere Fragen ernst nimmt und unseren Rat hört und dann selber entscheidet.

Heute wird sie 15. Ein Tag wie eine Insel im Fluss der Zeit. Wie schnell die Jahre vergangen sind. Aber auch: Wie unendlich viel ist da, was uns bleibt und wofür wir dankbar sind. Und wenn wir an die nächsten Jahre denken: Die wollen wir auskosten und ganz bewusst erleben. Und dann gespannt sein, wenn ein neuer Lebensabschnitt für uns beginnt. So wie es in dem Bibelwort heißt, das als Jahreslosung, sozusagen als Motto über dem Jahr 2013 steht: „Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“ (Hebr 13, 14)