Fehlerfreundlich
An einem Sonntag bin ich von einer Reise zurückgekommen und habe festgestellt, dass mein Fahrrad nicht vor unserer Haustür steht. Ich war mir nicht sicher. Hatte ich es in die Garage gestellt und dies einfach nur vergessen? Ein Blick in die Garage ließ mich Böses ahnen... Mein Fahrrad war weg! Ich ärgerte mich, am meisten über mich selbst. Wieso hatte ich es womöglich vergessen abzuschließen? Jetzt hatte ich die Quittung für mein unvorsichtiges Verhalten...
Am nächsten Tag traute ich meinen Augen kaum, als ich die Haustür aufgemacht habe: Da stand mein Fahrrad! Unabgeschlossen... Auf dem Gepäckträger war ein Briefumschlag festgemacht. Etwas zittrig machte ich ihn auf. Dort las ich: Es tut mir leid. Ich hatte zuviel getrunken und keine Lust zu laufen. Habe mir das Fahrrad ausgeliehen. Zuerst habe ich mich geärgert. Was fällt dem ein, habe ich gedacht! Nimmt sich einfach mein Fahrrad. Was soll das denn! Doch dann dachte ich: Eigentlich zeigt das auch die innere Größe dieses Menschen. Er ist den Weg noch einmal zurück gegangen, hat sich entschuldigt und das Fahrrad zurück gestellt.
Es gibt bei dem Propheten Hesekiel einen sehr schönen Vers: Darum bekehrt euch, so werdet ihr leben. Bekehren ist die Übersetzung eines lateinischen Wortes, das man mit umwenden und umkehren wiedergeben kann. Seinen Sinn zu ändern, hat also viel damit zu tun, sich umzudrehen, die Position zu verändern und die Richtung zu wechseln. Erst dann, wenn das geschehen ist, kann ich mich für etwas entschuldigen, was ich vermasselt habe.
Dieses Umwenden und Umkehren fällt oft nicht leicht. Gerade in wichtigen Beziehungen kommen die Worte: „Ich bitte um Entschuldigung“, manchmal nur schwer über die Lippen. Vielleicht aus Stolz, weil man sicher ist, dass man im Recht isr, vielleicht aus Scham, weil es einfacher ist zu tun, als wäre nichts passiert. Die Konsequenz ist aber oft, dass die Beziehung gestört ist. Es ist, als ob sich zwischen den beiden Menschen ein Fremdkörper befindet, der die Verständigung blockiert. Darum bekehrt euch, so werdet ihr leben. Das Stichwort „leben“ hat damit genau zu tun. Ich kann erst dann leben, lebendig und störungsfrei, wenn ich bereit bin, immer wieder, wenn es notwendig ist, umzukehren, zurück zu gehen zu dem Ausgangspunkt der Störung.
Es gibt dieses schöne Wort „fehlerfreundlich“. Christine von Weizäcker, eine Biologin, hat die Bedeutung dieses wunderbaren Wortes herausgestellt. Sie beschreibt damit: Fehlerfreundlich bin ich, wenn ich unerwünschte Ereignisse akzeptiere, die aber eintreten. Das gibt es doch öfters: Unerwünschte Ereignisse, die eintreten und eine Störung verursachen. Ihnen fehlerfreundlich zu begegnen und im Zweifelsfall umzukehren: Das hat der Mann mit meinem Fahrrad gemacht. Das zeigt doch: Die Fehler sind meistens nicht das Problem. Es geht drum, wie wir mit ihnen umgehen.