Etikette
Der Abschlussball der Tanzstunde stand an – nicht nur für unsere Tochter, sondern natürlich auch für uns als Eltern. Also wurden wir zur Elterntanzstunde eingeladen. Tanzen ist nicht gerade unser Hobby, und die eigene Tanzstunde liegt Jahrzehnte zurück. Also waren wir ganz dankbar für eine Art Crashkurs zur Auffrischung – und sind doch mit etwas bangem Herzen hingegangen. Am Ende war ich ganz erleichtert, mich als Vater nicht allzu sehr blamiert zu haben.
Aber nicht nur mit dem langsamen Walzer wurden wir mit unseren Kindern auf den Abschlussball vorbereitet, sondern auch im Blick auf die Etikette. Der gestrenge Tanzlehrer machte unmissverständlich klar, welche Kleiderordnung gilt – für Eltern und Kinder; wer wann mit wem tanzt; was überhaupt nicht geht wie - z.B. Kaugummikauen; usw. usw…. Mir erschien er fast etwas zu streng dabei, und ich hatte den Eindruck, dass es manchen anderen Eltern auch so ging. Aber die Zeiten haben sich geändert; und die Etikette ist wieder wichtiger geworden, als sie es vor Jahren war.
Ein Satz des Tanzlehrers ließ mich aber aufhorchen: „Umgangsformen sind ein Ausdruck von Respekt vor dem anderen.“ So oder so ähnlich hat er es ausgedrückt. Da ist etwas Wahres dran. Ganz gleich, wie man nun zu einzelnen Anstandsregeln steht und ob man sie für veraltet oder übertrieben hält. Und sie ändern sich ja auch im Laufe der Zeit und sind verschieden – je nachdem, in welchem Kreis man sich gerade bewegt.
Aber Umgangsformen sind ein Ausdruck des Respekts vor dem anderen. Wenn ich mich bei einer Einladung an die Kleiderordnung halte, zeige ich den Gastgebern damit: Ihr seid mir wichtig. Wenn ich mit meiner Tochter den Ehrentanz tanze – auch wenn mir Tanzen gar nicht liegt - zeige ich ihr damit: Du bist mir wichtig. Und ich bin stolz darauf, eine so erwachsene Tochter zu haben. Natürlich kann man’s mit der Etikette auch übertreiben. Da kann auch manches auch hohl und steif sein und nicht mehr in die Zeit passen. Und das Einhalten von Anstandsregeln ist auch kein Allheilmittel gegen Rücksichtslosigkeit und eine Ellenbogenmentalität, die heute von vielen beklagt wird.
Und trotzdem: Dass wir einander respektieren, ist ganz entscheidend für unser Zusammenleben – in der Familie, in der Schule, am Arbeitsplatz, ja auch in unserer Gesellschaft. Und es ist wichtig, dass dieser Respekt auch im Alltag seinen Ausdruck findet. Dass er sozusagen in kleine Münze eingewechselt wird. „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch!“ (Matthäus 7, 12). So hat Jesus einmal alle Gebote kurz und knapp zusammengefasst. Und irgendwo muss man ja damit anfangen.