hr2 ZUSPRUCH
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von Winterfeld, Charlotte

Eine Sendung von

Evangelische Pfarrerin, Frankfurt

Ein besonderes Baby

Ein besonderes Baby

Der kleine Leon ist ein besonderes Baby. Mit seinen 9 Monaten krabbelt er wie ein Wilder durchs Wohnzimmer und bringt alle Stehlampen zum Wackeln. Er strahlt fröhlich und lacht auch bei fremden Menschen. Aber nicht nur das macht ihn besonders. Dass Leon gesund auf die Welt gekommen ist, ist ein Wunder. Seine Mutter Kerstin ist nämlich schwer krank. Sie hat Mukoviszidose, eine Stoffwechselerkrankung. Das bedeutet: zähflüssiger Schleim in den Atemwegen, häufig Bronchitis und Lungenentzündung, viele Krankenhausaufenthalte, eine Lebenserwartung von 30-35 Jahren. Jetzt gerade ist Kerstin 30 Jahre alt geworden. Ihre Krankheit hat sie geprägt. Oft grübelt sie und ist traurig: Wie soll das Ganze weitergehen? Warum soll ich mich überhaupt im Leben anstrengen?

Als Kerstin ungeplant schwanger wird, ist das ein großer Schock. Da ist die Sorge: Wie geht das mit einer Schwangerschaft? Ist das Kind im Bauch immer gut versorgt? Bleibe ich als Mutter gesund? Viele Fragen tauchen in ihrem Kopf auf: Darf ich überhaupt einem Kind das Leben schenken, wenn ich selbst nicht lange leben werde? Andererseits: Habe ich das Recht, über Leben und Tod zu entscheiden, wenn das Leben schon entstanden ist?

Kerstin kümmert sich plötzlich viel mehr um ihre eigene Gesundheit. Gegen so manche wohlgemeinte Ratschläge geht sie ihren Weg und fängt an, sich auf das Baby zu freuen. Ihr Freund und ihre Mutter unterstützen sie dabei. Jetzt ist Leon da und macht ihr Leben reich. Beim Taufgespräch sagt Kerstin mir: „Leon ist mein Geschenk und meine Aufgabe. Ich habe für ihn so viel Liebe in mir. Er ist mein Sonnenschein. Jetzt weiß ich, wofür ich lebe. Trotz meiner Krankheit hat Gott mir erlaubt, dass ich ein Kind bekommen darf.“

Kerstin wollte eigentlich nicht schwanger werden. Sie hat sich nicht zugetraut, ein Kind großzuziehen, wegen ihrer Krankheit und um des Kindes willen. Jetzt wächst sie über sich hinaus, weil Leon da ist. Das heißt nicht, dass jetzt alles nur noch gut ist. Kerstin weiß nicht, ob sie ihren Sohn aufwachsen sehen wird, ob sie ihn begleiten kann, bis er erwachsen ist. Wahrscheinlich wird sie vorher sterben. Aber bis dahin will sie stark sein und jeden Moment bewusst genießen. Alles andere legt sie in Gottes Hand. Das bewundere ich an Kerstin.

Ich denke mir: Ein Leben ohne Sorgen und Schmerzen wird es nie geben. Das ist es auch nicht, was ich brauche. Ich will Pläne machen und Träume träumen. Manche von ihnen werden in Erfüllung gehen, andere nicht. Manchmal wird ein Plan abgeändert, und ein ganz anderer Traum wird wirklich. Ich hoffe: Gott ist gerade dann an meiner Seite. Manchmal denke ich: Gott mutet mir viel zu. Gleichzeitig merke ich immer wieder: Gott traut mir viel zu. So wie bei Kerstin.