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Eine Sendung von

Hochschulpfarrerin an der Evangelischen Studierendengemeinde (ESG) in Mainz

Der Geist von Pfingsten

Der Geist von Pfingsten

In der Wunderlampe sitzt ein Geist. Er erfüllt alle Wünsche, die der Besitzer der Lampe gegenüber dem Geist ausspricht. Kein Wunder, dass alle hinter der Lampe her waren! Sie wollten Macht über den Geist haben und sich ihre Wünsche erfüllen. Das ist das Motiv von „Aladin und die Wunderlampe“, dem Märchen aus 1001 Nacht. Solche Geister gibt es auch in anderen Märchen. Sie sind immer ähnlich: Menschen können sich bei einem Geist etwas wünschen. Aber irgendwann werden sie maßlos. Ihre Gier macht sie blind und rücksichtslos. Glücklich werden sie dabei nicht. Früher oder später endet ihre Maßlosigkeit in einer Katastrophe.

Als Kind habe ich mich gefragt, was ich mir wünschen würde, wenn ich so einen Geist in der Flasche entdeckt hätte. Da kam schon was zusammen. Aber ich merkte bald, dass es irgendwann langweilig wäre, wenn ich mich gar nicht mehr selbst anstrengen müsste. Lieferung auf Bestellung bei einem Geist stillt  kurz die Gier nach Mehr, aber es macht nicht zufrieden oder stolz. Die Jagd nach Mehr geht bald von vorne los. Das geht nicht gut aus, nicht nur im Märchen.

Der Geist Gottes, von dem in der Bibel erzählt wird, ist ein ganz anderer. Er sitzt nicht in einer Wunderlampe und erfüllt auf Knopfdruck auch keine Wünsche. Er ist frei, niemand besitzt ihn, niemand kann ihn einfangen. Er ist unverfügbar. „Der Geist weht, wo er will“, heißt es.

Die Jünger und Jüngerinnen von Jesus haben den Geist Gottes das erste Mal erlebt, als sie nach Jesu Tod und Auferstehung unterwegs auf den Straßen von Jerusalem waren und von Jesus erzählt haben. Jedenfalls erzählt das die Pfingstgeschichte der Bibel. Die Menschen um sie herum kamen aus verschiedenen Ländern und Kulturen und unterhielten sich in unterschiedlichen Sprachen. Und trotzdem konnten sie sich alle verstehen. Offenbar waren die Energie und die Leidenschaft eindeutig, mit der die Jünger  von der Liebe Gottes erzählt haben und von Jesus, seinem Sohn, der diese Liebe gelebt und weiter gegeben hat.

Gottes Geist hat durch die Jünger auf dem Marktplatz gewirkt und in die Welt hinein gestrahlt. Er wurde nicht gezähmt, er steckte in keiner Wunderlampe und war auch kein automatischer Erfüller von Wünschen. Er hat  aber begeistert, und das ist viel mehr. Auf einmal hatten Menschen wieder Energie, waren zuversichtlich und haben Gottes Liebe weiter geschenkt. Das ist der Geist von Pfingsten, den morgen die Christenheit auf der ganzen Welt feiert. Ein Geist, der jedem und jeder spüren lässt: Du bist ein besonderer Mensch. Du hast Fähigkeiten und Talente. Nutze sie für dich und Andere. Gib deine Leidenschaft und Begeisterung weiter, verschenke sie und du wirst sehen, du wirst auch beschenkt.