hr2 ZUSPRUCH
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von Winterfeld, Charlotte

Eine Sendung von

Evangelische Pfarrerin, Frankfurt

Danken tut gut - Zum Erntedankfest

Danken tut gut - Zum Erntedankfest

Danken tut gut. Das steht auf einer Postkarte. Ein Korb voller Früchte ist abgebildet. Im Hintergrund ein Fenster, durch das man eine Landschaft sieht, in wunderbaren Herbstfarben. Eine Postkarte zum Erntedank-Fest. Danken tut gut. Aber nicht immer. „Bedank dich auch schön!“ Als Kind habe ich diesen Satz oft gehört. „Sag das Zauberwort. Bedank dich!“ Die Freude über das tolle Geschenk war dann wie weggeblasen. Bei meiner Großmutter musste ich mich nie bedanken, wenn ich ein Geschenk bekommen habe. Sie hat meine strahlenden Augen gesehen, das war ihr genug.

So wie meine Großmutter stelle ich mir manchmal Gott vor. Gott schenkt mir etwas und freut sich darüber, wenn ich mich freue, wenn es mir gut geht. Ich denke, ich bin Gott viel häufiger dankbar, als mir bewusst ist. Die Erleichterung nach einer langen Autofahrt z.B., wenn ich heil am Ziel angekommen bin. Um Gott dankbar zu sein, muss ich nicht unbedingt die Hände falten.

Danken tut gut. Ich glaube: An dem Satz ist trotzdem etwas dran. Wenn es mir gerade nicht so gut geht, denke ich: „Wenn ich glücklich wäre, dann wäre ich richtig dankbar.“ Aber vielleicht ist umgekehrt ja auch richtig. Wenn ich bewusst dankbar bin für vieles in meinem Leben, dann werde ich glücklicher.

Ein Kollege, auch Pfarrer, hat mir mal erzählt: „Mit einer Gruppe von Jugendlichen habe ich einmal eine Übung gemacht: Jeder sollte 10 Dinge aufschreiben, für die er oder sie dankbar war.“ Ein Mädchen in dieser Gruppe war schlecht dran, erzählt er: die Eltern Alkoholiker, arme Verhältnisse. Aber genau dieses Mädchen war zuerst mit ihrer Liste fertig. Als Erstes schrieb sie: „Dass ich nicht blind bin.“ Dann: „Dass draußen die Sonne scheint.“ Und: „Dass ich diese tolle Gruppe hier habe.“ Das hat meinen Kollegen damals tief bewegt.

Das heißt doch: Gott braucht meine Dankbarkeit nicht unbedingt, aber zu danken, tut mir selbst gut. Mich daran zu erinnern, was mir geschenkt ist, bringt in eine andere Stimmung: Ich krieg wieder Vertrauen ins Leben und neues Selbstbewusstsein.

Ich will mir im Alltag mehr bewusst machen, wofür ich dankbar bin. Indem ich manchmal bewusster Dinge tue. Z.B. den Kochtopf, mit dem ich gekocht habe, nicht gleich in den Schrank räumen. Der Topf ist ein Geschenk meiner Lieblingstante. Ich schaue den Topf einen Moment lang an und erinnere mich daran, wie wir zusammen damit Kürbissuppe gekocht haben. Dann bin ich Gott dankbar dafür, dass er mir diese besondere Frau an meine Seite gestellt hat.

Danken geschieht nur zeitweise wirklich bewusst. Aber es geschieht. Bei jedem anders. Ich brauche mich nicht darum zu kümmern, ob mein unspektakuläres Danken auch gehört wird. Gott ist bestimmt fähig, meine Dankbarkeit mitzubekommen. Und ich glaube, er freut sich darüber.