Beten
Manchmal schlafe ich ein beim Beten oder ich bin unkonzentriert. Ja, das passiert. Aber da bin ich nicht die Einzige. Und es gibt einen, der hat sich Tricks fürs Beten ausgedacht und darüber ein Buch geschrieben: „Beten - ein Selbstversuch.“
Der Autor, Pfarrer Klaus Douglass, lebt und arbeitet in Südhessen. Er meint: „Uns fehlt nur oft das nötige Handwerkszeug, um uns für Gottes Gegenwart zu öffnen.“ Genau fünfzig verschiedene Arten zu beten probiert er aus, in fünfzig Tagen. Ehrlich beschreibt er, was er dabei erlebt, auch wenn etwas schief geht und welche Form des Betens bei ihm klappt und welche nicht. Zum Beispiel klappt bei ihm das Beten mit dem Fotoapparat: Sich ein Motiv aussuchen, es von allen Seiten bewundern, staunen über die Schönheit in Gottes Natur. Nicht funktioniert hat bei ihm das Beten in einer mittelalterlichen Kirche. Über zwei Stunden hat er es versucht: zu viele Menschen gehen rein und raus, er ist abgelenkt und konnte sich nicht konzentrieren.
Bei der Lektüre des Buches bin ich amüsiert und erstaunt und irgendwie auch erleichtert. Ich habe mich früher oft gefragt: „Bete ich eigentlich richtig, wenn ich bete?“ Ich habe für mich die Erfahrung gemacht, die der Kollege auch gemacht hat: Es gibt kein falsches Beten. Es gibt viele Arten zu beten, meditative und aufwändige, kurze Gebete und Nebenher - Gebete. Alle sind gleich richtig und gut. Welche Formen des Betens für mich die besten sind, kann ich nur selbst herausfinden.
Einschlafen und Abschweifen beim Beten, das kommt vor bei mir. Klaus Douglass empfiehlt Tricks dagegen. Einmal stellt sich einen Küchenwecker. Der erinnert ihn jede Minute daran, dass er doch eigentlich beten wollte. Ein anderes Mal steckt er seinen Ehering auf den linken Ringfinger statt auf den rechten. Das ungewohnte Gefühl soll ihm Gott in Erinnerung rufen.
Als meine Großmutter sich vor zwei Monaten das Bein gebrochen hatte, habe ich ihr gesagt: Ich denke an Dich und bete für Dich. Sie ist wacklig auf den Beinen und es geht nur noch mit dem Rollator vorwärts. Außerdem hat sie einige Wunden, die einfach nicht verheilen. Ich habe ihr gesagt, dass sie ja auch mal zu Gott beten kann deswegen. Ihre Antwort: „Meinst du, meine kleinen Wehwehchen interessieren den lieben Gott wirklich? Der hat doch so viel anderes zu tun.“ Typisch, meine Großmutter und ihre preußische Haltung „Nur nicht jammern“. Aber auch schade.
Ich glaube: Beim Beten braucht man keine inneren Schranken oder Filter. Wenn ich mich zum Beispiel so richtig über etwas oder jemand aufrege, darf das auch ins Gebet. Ich darf ganz ehrlich sein, ich darf jammern, wütend auf jemand sein, eifersüchtig sein, müde sein. Und wenn ich dann mal wieder abends einnicke, dann denke ich: Gott kennt ja sowieso schon alle meine Gedanken und Gefühle. Und ich bin überzeugt: Gott kann ganz gut damit umgehen.
Mein Fazit: Nur nicht zu lange darüber nachdenken, wie ich am besten bete, und was ich Gott am besten sage und was nicht. Sondern einfach loslegen und sehen, was passiert.