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Eine Sendung von

Evangelische Pfarrerin und Professorin für Religionspädagogik, Würzburg

Welternährungstag

Welternährungstag

Heute ist Welternährungstag, manche nennen ihn auch Welthungertag. Eigentlich kann einen diese Nachricht zu Beginn eines neuen Tages doch nur deprimieren. Der Welthunger, genauer, dass Menschen, vor allem Kinder, nichts zu essen und kein ordentliches Wasser haben, das ist doch erbärmlich und kaum zum Aushalten. Wie kann ich mich als Christin richtig verhalten?

„Unser tägliches Brot gib uns heute“. Diese Bitte stammt aus dem ‚Vater unser’ und dieses Gebet gehört zum Herzstück des christlichen Glaubens. Aber was hilft es, wenn das tägliche Brot zwar vielen von uns, aber anderen nicht gegeben wird? Jeder 7. Mensch auf der Erde hungert. Natürlich ist klar, dass die Welternährung ein Politikum ist. Da wird mit Getreidepreisen, mit Mais- und Kaffeepreisen gehandelt. Und der Hunger in Asien und Afrika ist nicht nur die Folge von Erdbeben und Überschwemmungen. Doch auch wenn ich sehe, wie komplex die Zusammenhänge und Verhältnisse sind – daran, dass zu viele Menschen auf das tägliche Brot verzichten müssen, mehr noch, dass täglich Menschen an ihrem Hunger sterben, ändert das noch nichts.

Ich weiß, dass meine Mittel dagegen klein sind. Das erste ist natürlich, dass ich in Notlagen spenden kann, das zweite ist, dass ich mich für eine andere, eine alternative Welternährungspolitik einsetzen kann. Es gibt durchaus Vorschläge, die viel in den jeweiligen Situationen ändern könnten, doch sie lassen sich häufig nicht durchsetzen, weil andere Probleme Vorrang erhalten. Aus der Perspektive als Christin will ich eigentlich nur eins in diesem großen Problemfeld festhalten: Es geht für uns hier in Deutschland darum, dass wir nicht roh und kalt gegenüber der eigenen Not und der Not anderer Menschen werden. Das allerdings hat viel mit dem Beten zu tun, auch mit der Bitte „Unser tägliches Brot gib uns heute“.

Vor gut fünfhundert Jahren schrieb Martin Luther über das ‚Vater unser’ im Großen Katechismus: „Das Gebet ist vor allem Bittgebet und Notgebet. Ein Gebet, das nichts von Gott haben und nehmen will, sondern Gott etwas geben will, ist kein Gebet.“ Weiter kann man von Luther lesen: „Wenn aber ein Gebet recht sein soll, so muss es damit ernst sein, dass man seine Not fühlt, und zwar eine solche Not, die uns drückt und zum Rufen und Schreien treibt … Denn wir haben alle genug an dem, was uns mangelt; der Fehler liegt aber daran, dass wir’s nicht fühlen und sehen.“ Luther ermutigt, gegen diese Gefühllosigkeit, diese Coolness anzubeten. Bete so, dass „Du dein Herz entzündest“. Erst wenn man soweit ist, dass man den Mantel – wie er sagt - weit ausbreitet, wenn man sich also im Gebet wirklich bloß legt und für seine Bitten einsteht, dann kommt man in eine Haltung, die verändert. In dieser Haltung, so sagt Luther, kann man viel empfangen.

Und schließlich noch ein Satz von ihm: „Wir müssen lernen, täglich unsere und die Not anderer Menschen im Gebet vor Gott zu bringen.“ Luthers Katechismus mangelt es nicht an Klarheit. Betet für eure Not und für die Not anderer Menschen. Und dabei schließt er an alte Traditionen an: Es heißt, dass auf dem Beten eine Verheißung liegt. Sie lautet: Gott nährt uns mit Zuversicht. Es ist möglich, dass auf Erden alle satt werden. Manche reden vom Welthungertag. Ich möchte weg vom Defizitdenken und die Zuversicht stark machen: Heute ist Welternährungstag.