hr2 ZUSPRUCH
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Eine Sendung von

Evangelische Pfarrerin und Professorin für Religionspädagogik, Würzburg

Tine Ting Helseth im Kloster Ebersbach

Tine Ting Helseth im Kloster Ebersbach

Die Tür steht offen, mehr noch das Herz. Dieser Spruch ist der Wahlspruch der Zisterziensermönche, die das Kloster Eberbach aufbauten. Heute Abend stehen die Türen wieder offen und ich vermute auch die Herzen. Und zwar nicht nur die der Gastgeber im Kloster.

Heute Abend wird die Norwegerin Tine Thing Helseth mit ihrem Ensemble Trompete spielen. Sie wird es sicher wieder schaffen, die Menschen zu begeistern. Ihre Art die Trompete zu spielen ist wundervoll, von leicht und feierlich bis melancholisch und zurück. Ich finde, Konzerte sind so etwas wie Klangduschen. Alle Eindrücke des Tages, die sich auf der Haut, den Augen, den Ohren und im Geschmack niedergeschlagen haben, werden sozusagen abgewaschen. Eine Dusche voller Klänge rinnt an mir herunter und öffnet irgendwie darin auch meine Sinne. Manchmal kommt es dann wie von selbst, dass man sich in ein Stück, in eine Melodie geradezu hineinfallen lassen kann. Klar kann dies auch schwierige Seiten haben. Wer Musik macht, weiß, wie man mit ihr Angst erzeugen kann oder, dass sie sich schwer auf die Seele legen kann. Musik kann das Gefühl von Menschen sehr beeinflussen, zum Guten wie zum Schlechten. Insbesondere wenn sie Musik ohne Worte, ohne Liedtexte ist. Kein Text gibt die Orientierung an, es ist der Klang, der wirkt. Und wo keine Worte, sondern Noten sind, da komme ich schneller zu mir und meinen Gefühlen.

Tine Ting Helseth setzt dies auch bewusst ein. Eine ihrer CDs heißt Storyteller. Hier vertont sie Lieder, die natürlich Texte hatten. Sie spielt die Texte mit der Trompete und macht aus ihnen Klänge. Und genau diesen Prozess nennt sie Storytelling. Sie erzählt Geschichten, Klanggeschichten mit ihrer Trompete.

Man sagt, dass noch bevor Menschen Worte verstehen, sie Klänge wahrnehmen. Dazu gehört natürlich schon ganz früh, dass man als Baby den Herzschlag der Mutter hört. Er ist wie eine Hintergrundmusik für das Heranwachsen des Embryos. Schon lange wird werdenden Müttern empfohlen, Musik zu hören, weil sie dem kleinen Leben im Bauch bereits wichtige Impulse gibt. Das Baby nimmt den Klang des Herzschlags oder eine Musik wahr und reagiert auf sie. Hören, das ist dann kein passiver Konsum, sondern ein ganz aktives Geschehen, ein produktiver Prozess. Er fordert dazu heraus, mit den eigenen Gefühlen umzugehen, mit anderen Worten, die eigene Klanggeschichte zu finden.

Heute Abend wird Tine Thing Helseth im Kloster Eberbach spielen. Für mich gibt es keinen Zweifel: Ihre Musik wird die Herzen öffnen und damit viele kleine und große Klanggeschichten freisetzen.  Für mich sind die Klänge ganz überwiegend hell und fein und voller Hoffnung. So gibt sie dem Motto des Klosters alle Ehre: „Die Tür steht offen, mehr noch das Herz.“

Egal ob man Zeit hat für ein Konzert in diesem Sommer oder nicht: ein paar Minuten Musik, die lebendig und froh macht, sollte man sich jeden Tag gönnen!