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Eine Sendung von

Hochschulpfarrerin an der Evangelischen Studierendengemeinde (ESG) in Mainz

Spinat und Zaubertrank

Spinat und Zaubertrank

Ich habe mir in diesem Jahr die Jeff-Koons-Ausstellung in Frankfurt angeschaut, in der es unter anderem eine überlebensgroße Figur von dem Comic-Helden Popeye zu sehen gab. Die glänzende Edelstahl-Figur hat mich fasziniert, denn sie hat mich geradewegs in meine Kindheit zurückversetzt. Ich mochte Popeye. Er war ein freundlicher Matrose, ein bisschen einfältig, aber mit riesigen Armmuskeln und einem ausgesprochenen Sinn für Gerechtigkeit. Der Matrose musste in den Comicgeschichten zahlreiche Abenteuer bestehen und Gefahren meistern - an Land und auf See. Wenn es sehr gefährlich wurde, aß er eine Dose Spinat und bekam Bärenkräfte. Das fand ich als Kind wunderbar.

Genauso wie ich den Zaubertrank von Asterix und Obelix klasse fand, weil sie sich damit gegen die Übermacht der Römer schützen konnten. Auch von Superman und seinen überirdischen Kräften war ich begeistert oder auch noch als Erwachsene von den Zauberkräften von Harry Potter, von Ron, Hermine und den andere Zauberlehrlingen. Ich war fasziniert davon, dass Kinder, Jugendliche und Erwachsene in diesen Comic- und Fantasy-Geschichten unterwegs sind und gegen das Böse kämpfen. Sie sind mutig und klug und haben mit Hilfe von Spinat, Zaubertrank oder anderen magischen Kräften eine Chance, das übermächtige Böse zu besiegen. Das hat mich begeistert und ermutigt. Ja, es lohnte sich, gegen das Böse aufzustehen! Wenn diese Botschaft doch auch als Erwachsene so einfach wäre!

Heute weiß ich, dass Spinat zwar gesund ist, aber keine Bärenkräfte verleiht. Ich weiß auch, dass es den Zaubertrank von Mirakulix nicht gibt, genauso wenig wie die übermenschlichen Kräfte von Superman, Harry Potter, Hermine und den anderen. Und ich weiß auch, dass es viel komplizierter ist, gut und böse zu unterscheiden als in meinen Comics oder Fantasy-Geschichten. Diejenigen, die nur gut sind, gibt es nicht, und solche, die nur Böses tun, auch nicht. Stattdessen gibt es politische und wirtschaftliche Krisen, persönliche Herausforderungen und Verstrickungen, Vorurteile und Gewalt. Da wünsche ich mir schon manchmal, dass ich mit Hilfe von Zauberkräften Konflikte lösen könnte.

Leider hilft da kein Zaubertrank. Für soziale Herausforderungen braucht es die Fachkompetenz und das Engagement von vielen Frauen und Männern in ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Einrichtungen und Verbänden. Alleine schafft das keiner. Wenn es mir selbst nicht gut geht, weiß ich, dass ich Familie, Freundinnen und Bekannte habe, die mir in schwierigen Situationen helfen und mich unterstützen. Und wenn ich traurig bin oder ich mich ungerecht behandelt fühle, dann hilft mir mein Glauben. Ich kann eine Kerze anzünden, zu Gott beten, klagen und um Hilfe bitten. Das tut mir gut. Denn vor Gott darf ich auch schwach sein. Wenn ich das zugebe, fühle ich mich manchmal sogar stark. So steht es auch in vielen biblischen Geschichten. Dort lese ich, dass Gott Menschen auf ihren Wegen begleitet hat und sie gerade dann getröstet oder gestärkt hat, wenn es ihnen nicht gut ging, wenn sie geknechtet waren oder allein. Mit Gottes Zuspruch fühle ich mich gestärkt, ganz ohne Spinat und Zaubertrank.