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Sinai - die zehn Worte

Sinai - die zehn Worte

Wer den Gipfel eines Berges erklommen hat, genießt die weite Aussicht. Der normale und oft mühsame Alltag liegt für eine Weile irgendwo weit unten. Das Gipfelerlebnis ist etwas ganz Besonderes. Viele Menschen haben das Gefühl, dort oben dem Himmel näher zu sein. Das war schon in früheren Zeiten so. Biblische Geschichten erzählen, wie Menschen die Bergeinsamkeit gesucht haben, um Gott näher zu kommen. So auch Mose, der Anführer des Gottesvolkes auf dem Weg ins Gelobte Land. Am Fuße des Sinaiberges gab es wieder einmal eine längere Rast. Währenddessen stieg Mose auf den Gipfel, um mit Gott zu sprechen.

Vierzig Tage verbrachte er auf dem Gipfel des Berges, betend, meditierend, wartend. Dann aber empfing er die beiden Tafeln mit den Zehn Geboten. Er konnte nicht ahnen, welche weltgeschichtliche Bedeutung die Zehn Worte einmal haben würden. Zunächst galten sie ja nur dem wandernden Gottesvolk. Noch ganz erfüllt von der überwältigenden Erfahrung, stieg Mose hinab. Unten aber wurde er damit konfrontiert, dass das Volk inzwischen dem Gott untreu geworden war, der es aus der ägyptischen Sklaverei gerettet und sicher durch alle Gefahren geleitet hatte.

Von der mühseligen Wanderung durch die Wüste frustriert, war das Vertrauen in die Führung durch einen unsichtbaren Gott geschwunden. Aus ihrem Goldschmuck hatten sie ein Götterbild verfertigt, das berühmt-berüchtigte Goldene Kalb. Ein solches Stierbild versinnbildlichte in der damaligen Welt Kraft und Glanz. Bis heute ist Gold ein Zeichen von Reichtum und Macht. Doch erweckt das edle Metall auch Egoismus, Gier und Gewalt. Wie wir nur zu gut wissen. Mose antwortete auf die Verblendung der Israeliten mit einem grausamen Strafgericht. Danach gelang es schließlich, die Zehn Gebote als Grundgesetz des Volkes durchzusetzen.

Im Laufe der Zeit entwickelten die Priester und Gelehrten aus den Zehn Worten vom Sinai ein Gesetzeswerk, das alle Lebensvollzüge im privaten wie im öffentlichen Bereich regelte. Als Summe aller Gebote gilt das später formulierte Doppelgebot der Liebe: Du sollst Gott lieben und deinen Nächsten wie dich selbst.

Von diesem Gebot von der Gottes- und Nächstenliebe geht bis heute ein Wärme-strom aus, der gegen die Strömungen menschlicher Kälte steht und die Gesellschaft humanisiert. Die Zehn Worte vom Sinai aber bilden letztlich die Grundlage unsres Rechtswesens, vom Grundgesetz bis in die Strafprozessordnung. Sie heiligen das Leben jedes einzelnen Menschen und regeln ein respektvolles Miteinander. Außerdem weisen sie darauf hin, dass wir unsere Taten und Untaten vor Gott verantworten müssen. Der Gott des Egoismus oder der Gott vom Sinai – das ist nach wie vor die Alternative. Martin Luther sagte genial einfach: „Woran du dein Herz hängst, das ist dein Gott.“