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Eine Sendung von

Hochschulpfarrerin an der Evangelischen Studierendengemeinde (ESG) in Mainz

„Selig sind die Friedfertigen!“

„Selig sind die Friedfertigen!“

Ein Rabbi wurde in Berlin brutal zusammengeschlagen, seine Tochter mit dem Leben bedroht. In Zwickau fielen zehn junge Männer in einem Tanzcafé ein, grölten „Heil Hitler“ und verprügelten einen Türken und einen Iraner. Islamisten rufen weltweit zu Terroranschlägen auf und christliche Fundamentalisten gießen mit Mohammed-Verleumdungen Öl ins Feuer. Ein Fußballspieler wurde von Hooligans vor seiner Wohnung angepöbelt und bedroht, sodass er seinen Verein verlassen hat. Juden trauen sich nach der Beschneidungsdebatte nicht mehr mit Kippa, der jüdischen Kopfbedeckung, aus dem Haus, weil sie online und offline beleidigt und angepöbelt werden und sich nicht mehr sicher fühlen.

Ich bin fassungslos! Sind die, die meinen, mit Hass und Gewalt Alltagsleben gestalten zu können, von allen guten Geistern verlassen? Und was können Frauen und Männer, Junge und Alte gegen solche Gewaltausbrüche tun? Jesus war nicht dumm und naiv, als er sagte: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Und sogar unsere Feinde sollen wir lieben. Dazu forderte Jesus die Menschen damals auf. Und seine Worte gelten auch heute noch. Ihm ging es dabei um eine bestimmte Haltung zum Leben und gegenüber anderen Menschen, damit friedliches Zusammenleben gelingen kann. Jesus forderte Achtsamkeit und Respekt voreinander. Menschen sollen sich gegenseitig zuhören und als Gegenüber wahrnehmen, denn die Anderen sind genauso Gottes Geschöpfe wie sie selbst.

Zum Glück beherzigen das viele Menschen – auch heute. Und sie leben es. Zum Beispiel die vier türkischen Jugendlichen in Berlin. Sie kamen einem jüdischen Mann mit Kippa in der S-Bahn zu Hilfe, als er von anderen Jugendlichen angegriffen wurde. Oder: In einem Fanprojekt sind Fußball-Fans von mehreren Fußballklubs nach Auschwitz gefahren. Dort haben sie sich die Gräueltaten des Holocausts vergegenwärtigt. Zuhause haben sie davon erzählt, damit antisemitische und rassistische Hetze in Fußballstadien nicht mehr vorkommen. Oder: In vielen Schulen gibt es Schülerinnen und Schüler, die zu Konfliktlotsen ausgebildet werden, um in schwierigen Situationen zwischen Schülern zu schlichten und Gewalt zu unterbinden. Oder: Mitglieder vieler Religionsgemeinschaften setzen sich im Rat der Religionen z.B. in Frankfurt regelmäßig an einen Tisch, um sich zuzuhören und sich friedlich über gesellschaftliche und religiöse Themen zu verständigen. Oder: Jahr für Jahr beteiligen sich viele Tausende Menschen an Gegendemonstrationen, wenn Neonazis aufmarschieren, um gegen Hasstiraden ein Zeichen zu setzen.

Solche Geschichten von Mädchen und Jungen, von Frauen und Männern mit Zivilcourage ermutigen mich. Sie sind Vorbilder und Hoffnungsträger für alle anderen. Und sie sind Botschafter der Liebe, der Nächstenliebe und der Feindesliebe. Ihre Geschichten machen Mut, bei Gewalttaten hinzusehen und Hilfe zu holen. Sie ermutigen, Hass und Gewalt nicht schweigend durchgehen zu  lassen, sondern achtsam zu sein und Probleme ohne Gewalt zu lösen. Im Alltag gibt es jeden Tag kleine und große Heldinnen und Helden, die sich dafür einsetzen. Ihnen gilt Jesu Wort  „Selig sind die Friedfertigen“.