Schlange stehen zur Erlösung
Sonderangebotsaktion im Supermarkt kurz vor Ostern: 20% Rabatt auf alles. Alles rennet, rettet, stürzt sich auf die Sachen. An den Regalen ein einziges Grabschen. Die Supermarktkassen sind völlig überlastet. Von geordnet Schlange stehen kann keine Rede sein. Menschen mit ihren überbordend gefüllten Einkaufswagen schieben von allen Seiten auf die Kassen zu. Die Hinterfrau fährt einem mit schöner Regelmäßigkeit in die Hacken. Gleichzeitig ist man vorne damit beschäftigt, den eigenen Einkaufswagen als Schutzwall gegen Drängler von der Seite einzusetzen. Wehe, wenn man einen reinlässt! Dann gerät man hoffnungslos ins Hintertreffen.
Um sich die Dinge zum Leben zu sichern, kann man einen erstaunlichen Ehrgeiz an den Tag legen. Gibt es eigentlich einen ähnlichen Ehrgeiz auch für das, was nicht so greifbar ist? Altmodisch gefragt: Jage ich meinem Seelenheil genauso wildentschlossen nach wie den Schnäppchen im Supermarkt?
Unter den Jüngern Jesu gab es zwei, die drängelten geradezu danach, sich die besten Plätze im Himmel zu sichern. Die Brüder Jakobus und Johannes hatten den Beinamen „Donnersöhne“. Man kann sich vorstellen, dass sie immer mit großem „Hallo, hier kommen wir!“-Getöse zur Stelle waren. Sie wollten nicht nur auf Erden vorne dran sein. Sie gingen zu Jesus und baten ihn: „Gib uns, dass wir sitzen einer zu deiner Rechten und einer zu deiner Linken in deiner Herrlichkeit.“ (Markus 10, 37)
Eigentlich eine hinterhältige Tour. Jesus beiseite nehmen und ohne die anderen Jüngern mit ihm die Ehrenplätze in der himmlischen VIP-Lounge aushandeln wollen. Konkurrenzdenken bis in alle Ewigkeit.
Gleichzeitig beeindruckend, diese Energie der beiden nicht nur für das, was hier und jetzt ist, sondern auch für das, was über dieses Leben hinausreicht. Geht das? Sich einen Platz im Himmel sichern? Es muss ja nicht gleich der Ehrenplatz zur Rechten oder Linken von Jesus sein. Aber das Gefühl, etwas für die eigene Erlösung tun zu können, wäre schon beruhigend. Wir sind mitten in der Karwoche. Kann ich bis Ostern etwas tun, damit ich mehr davon habe, vom Osterlicht, von der Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod, von der Erlösung von allem, was das Leben hier manchmal unendlich schwer macht?
Jesus antwortet den Donnersöhnen, die so sehr um die besten Plätze im Himmel buhlen. Er ruft auch die anderen Jünger zu sich. Keine Seitengespräche, keine Geheimverhandlungen unter sechs Augen. Alle sollen hören, was Jesus zu sagen hat: In der Welt gibt es viel Drängeln, sich mit aller Gewalt durchsetzen und nach vorne schieben. So soll es unter euch nicht sein. Wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein. (Markus 10, 43 f)
Im Himmel ist mal wieder alles anders als auf Erden: Wer groß sein will, muss den anderen Platz machen. Wer Erster sein will, muss die anderen vorlassen und sich hinten anstellen. Ohne Angst, dass man deswegen leer ausgeht oder auf der Strecke bleibt. Nicht hamstern und Vorteil sichern, sondern mit Grazie geben. Das kann ich wohl schon jetzt tun, um gelöster, vielleicht auch erlöster zu leben. Selbst in der Supermarktschlange gilt: Wie im Himmel, so auf Erden.