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Eine Sendung von

Evangelische Pfarrerin und Professorin für Religionspädagogik, Würzburg

Osios David oder von der europäischen Dimension des christlichen Glaubens

Osios David oder von der europäischen Dimension des christlichen Glaubens

Eigentlich machen wir Evangelischen ja keine Pilgerwege. Aber gegenwärtig möchte ich uns doch gerne einen solchen Weg empfehlen. Und zwar nach Griechenland, in die Hafenstadt Thessaloniki. Und zwar weil wir in diesem Land zu den Wurzeln unseres Glaubens kommen.

In Thessaloniki ist mein Ziel eine kleine alte Kirche. Sie heißt Osios David. Man findet sie nicht so leicht, sie liegt etwas verborgen unterhalb von einem Kloster. Ihr Eingang ist kaum zu sehen; nicht wie sonst bei Kirchen große Portale, sondern ein Gartentor, drei gemauerte Stufen. Sie führen auf eine Gartenterrasse mit schönem Blick über die Stadt. An einer Ecke ein Glockenturm, bescheiden, funktional. Wenn man sich von dem schönen Blick über die Stadt gelöst hat, dreht man sich unwillkürlich um. Und dann liegt diese kleine Hauskirche vor mir. Eingebettet in eine Zeile anderer Häuser. Ihre Holztüre ist geschlossen. Einige schwarz gekleidete ältere Frauen sind die Kirchenführerinnen. Eine kommt zu mir und sieht mich fragend an, ob ich in die Kirche will? Ich nicke. Sie schließt die Tür auf, macht das Licht an und ich darf eintreten. Links stehen mehrere Stuhlreihen. Sie stehen genau gegenüber von dem Altar. Ich lasse mich vor ihm nieder und sehe nach oben ins Licht an die Decke. In der Kuppel befindet sich ein wunderbar bunt gestaltetes Mosaik. Auch ohne die Erläuterungen aus dem Kunstreiseführer spürt man, das Mosaik ist alt, das müssen Christen und Christinnen vor sehr langer Zeit angelegt haben. Vielleicht so ungefähr im vierten oder fünften Jahrhundert. Jesus Christus thront auf einem Regenbogen, ganz jugendlich und schön, um ihn herum ein goldener Heiligenschein.

Die Atmosphäre in dieser kleinen alten Hauskirche bewegt mich sehr. Wie viele Menschen waren vor mir schon zum Beten hier? Und dann war ja auch Paulus in dieser Stadt; in der Bibel gibt es zwei Briefe an die Gemeinde von Thessaloniki. 

Ich fühle mich irgendwie geborgen in diesem kleinen fremden Raum und irgendwie auch hinein genommen in die lange Geschichte der Hauskirche. Dabei ist manches ganz schön anders als bei uns. Dieses Kirchlein war Jahrhunderte lang auch eine Moschee. Dann wurde aus der Moschee wieder eine Kirche, allerdings viel kleiner als zuvor. Heilige Orte waren und sind umkämpft. Und dass Saloniki eine so wechselvolle Geschichte mitgemacht hat, das hatte auch schon immer mit Geld zu tun. Diese Stadt zeigt, was Europa insgesamt prägt: Es gab in Europas Geschichte immer Auseinandersetzungen, die sich um wirtschaftliche Macht und Gewalt drehten, es gab Unterdrückung, Ausbeutung und Verachtung. Und es gab Widerstand und Neuanfang. Es wurde festgehalten an Europa. Und das war immer auch ein Balanceakt. Wer gehört dazu und wer nicht? Ich habe in Osios David, der kleinen Kirche in der Altstadt Thessalonikis entdeckt, was mir bislang nicht so klar war. Meine Art zu glauben ist keine Erfindung des 20. Jahrhunderts, sondern ist sehr durch die europäische Kultur geprägt. Es liegt mir viel daran, dass wir Griechenland nicht verlieren.