Lebenswert ist, was eine Hoffnung hat
Man nennt ihn den „alten Fritz“, aber eigentlich heißt er Friedrich, genannt der Große. Heute würde der Alte Fritz dreihundert Jahre alt, da darf man mal ein bisschen jubeln. Natürlich war er nicht nur groß; er war auch ruppig und führte Angriffskriege genau dann, wenn die Nachbarstaaten schwach waren. Einmal entging er nur knapp dem Tod in einer Schlacht, ein anderes Mal verdankt er seinen Sieg nur dem russischen Zaren, der sich plötzlich Preußen anschließt: das „Wunder von Brandenburg“. Aber je länger man zurückblickt, desto milder wird ja oft der Blick. Der „alte Fritz“, heißt es, litt nicht nur unter einer verheerenden Beziehung zu seinem Vater, der ihn fast zum Tode verurteilt hätte; König Friedrich II. von Preußen soll auch eine große Toleranz gehabt und ausgeübt haben: Jeder soll nach seiner Facon selig werden, hat er geschrieben. Ob das immer überlegte Toleranz war oder auch ein Hauch Gleichgültigkeit, lasse ich dahingestellt.
Einmal bekommt der Alte Fritz einen Brief aus einer Kirchengemeinde. Darin steht: Majestät, unser Pfarrer glaubt nicht an die Auferstehung. Der König schüttelt den Kopf, als er diesen Brief liest. Und lässt gleich zurückschreiben: Wenn euer Pfarrer nicht an die Auferstehung glaubt, dann soll er am Jüngsten Tag einfach liegen bleiben. Da hat er Recht, der König von Preußen. Wer nicht glaubt, den kann man nicht ändern. Wer Beweise braucht, die es nicht gibt, muss eben so leben, wie er glaubt. Wir reden ja nicht von der Auferstehung, weil das so ein schönes Schauspiel werden wird am Jüngsten Tag. Wir reden von der Auferstehung, damit das Leben heute lebenswert ist. Lebenswert ist, was eine Hoffnung hat. Die Hoffnung heißt: Weil es eine Auferstehung geben wird, kann ich heute etwas beruhigter sein, etwas gelassener, vielleicht etwas weniger streng. Ich muss nicht alles lösen, ich muss nie vollkommen sein, muss im Leben nicht auf Biegen oder Brechen perfekt sein. Die Welt ist nicht alles, sagt die Auferstehung. Sie hat ein offenes Ende. Das letzte Urteil über alles spreche ich nicht. Auch heute nicht. Ich soll deswegen nicht nachlässig oder gleichgültig werden, aber doch behutsam und vorsichtig. Vor-sichtig im besten Sinn des Wortes: Vorne ist noch etwas, Gottes letztes Wort nämlich. Darauf darf ich hoffen, wenn mir etwas nicht passt, wenn ich etwas nicht mehr grade rücken kann, wenn mein Weg zu einem Umweg wird, der mir nicht gefällt.
Wer nicht hoffen will, soll ruhig liegenbleiben am Jüngsten Tag. Da hat der alte Fritz Recht. Ich will aber hoffen. Und zwar darauf, dass Gott auch meinen Schmerz und meine Schuld zu Recht bringen wird, wenn ich ihn darum bitte. Und dann sagt: Nun wird alles gut.