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Horeb - kein Donnergott

Horeb - kein Donnergott

Da ist einer völlig ausgebrannt. Seine Kraft ist am Ende; mit seiner Lebensaufgabe ist er dramatisch gescheitert. Er verlässt den traurigen Ort seines vergeblichen Wirkens und zieht sich in die Einsamkeit zurück. Nur ein Wunsch ist ihm geblieben – der Tod. Ich spreche von Elia, einem der großen biblischen Propheten. Was war geschehen? Die ausländische Frau des regierenden Königs hatte durchgesetzt, dass ihre heimatlichen Götter in Israel offiziell verehrt werden mussten. Elia nahm den Kampf gegen diesen Götzendienst auf. Er verlor den Kampf und musste um sein Leben fürchten. Doch ein Engel, so die biblische Erzählung, stärkte ihn. (1.Kön 19,1-8)

Vierzig Tage und Nächte lang wanderte Elia zum Horeb, dem heiligen Berg. Dort wollte er mit Gott sprechen. Oben angekommen schlief er in einer Höhle. Hier war er geborgen. Am Morgen aber geschah Folgendes: Elia hörte Gottes Stimme. „‘Verlass die Höhle und tritt auf den Berg vor mich hin‘! Dann ging der Herr an der Höhle vorüber. Zuerst kam ein gewaltiger Sturm, der an der Bergwand rüttelte, dass die Felsbrocken flogen. Aber der Herr war nicht im Sturm. Als der Sturm sich gelegt hatte, bebte die Erde, doch auch im Erdbeben war der Herr nicht. Dann kam Feuer, aber der Herr war nicht in dem Feuer. Zuletzt hörte Elia einen ganz leisen Hauch.“

An dieser Geschichte bewegt mich, dass Gott hier nicht als furchtbare Naturgewalt erscheint, im Tornado, im Erdbeben oder in der Feuersglut, sondern im „ganz leisen Hauch“. In einer anderen Übersetzung ist zu lesen in „einer Stimme verschwebenden Schweigens.“* Ein Gott der Stille. Elia hatte gegen die Priester der heidnischen Götter gekämpft. Sie verkörperten die Naturgewalten. An ihrer Spitze stand der Blitze schleudernde Wettergott. – Apropos Wettergott: Heute ist Donnerstag. In diesem Namen steckt Donar, der Donnergott der alten Germanen. Und die Rede vom „Wettergott“ ist nach wie vor lebendig. Doch vom biblischen Gott gilt das Gebot „Du sollst dir kein Bildnis machen.“ Er begegnet in der Stille und in seinem Wort.

Gott erfüllt gerade den, der mit seinen Kräften am Ende ist, mit neuem Lebensmut.  „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“ (2. Kor 12,9) wird der Apostel Paulus Jahr-hunderte später nach Korinth schreiben. Es ist die kirchliche Jahreslosung für 2012. Vom Gipfel des Horeb kommt die Botschaft: Gott macht sich klein, denn er liebt das Kleine. Ihm liegt nichts an Glanz und Gloria. Das können die Engel im Himmel produzieren. Auf Erden aber zählt seine Barmherzigkeit.

*Martin Buber, Die Schrift verdeutscht gemeinsam mit Franz Rosenzweig, Bd.2 Die Bücher der Geschichte, 1979, S. 406)