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Tönges-Braungart, Michael

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Bad Homburg

Freunde

Freunde

„Na, wie viele Freunde hast du denn?“, halb ernsthaft, halb im Scherz wurde ich das gefragt, als es abends beim Bier um das Thema „Freundschaften“ ging. Da musste ich erst mal nachdenken. Wen zähle ich denn eigentlich zu meinen Freunden? Und was sind bloß Bekannte? „ Also,“ wollte ich gerade sagen, „wenn du Freunde im engeren Sinn meinst, dann sind es wohl so um die fünfzehn“. Aber mein Gesprächspartner war schon schneller und sagte: „Zweihundertfünfzig! Meine Tochter hat zweihundertfünfzig! Und das sind noch nicht mal viele. Bei Facebook natürlich!“

Und schnell drehte sich das Gespräch dann um die Frage: Was sind eigentlich Freunde, echte Freunde? Und kann man solche Freunde im Internet haben? Gehört zur Freundschaft nicht die persönliche Begegnung? Dass man sich in die Augen schaut – nicht nur über die Webcam? Dass man sich auch mal in den Arm nimmt? Freundschaft via Internet? Wahrscheinlich eine Generationssache. Da war uns klar: Wir gehören ganz eindeutig zu den „Älteren.“ „Ja, natürlich bin ich auch in Facebook,“ meinte eine, „aber meine echten Freundschaften, die habe ich woanders. Und die haben sich auch nicht im Internet entwickelt.“

Bei unserer Tochter erlebe ich das durchaus schon anders. Natürlich hat sie auch ihre Freundinnen, mit denen sie sich täglich trifft – in der Schule zum Beispiel. Aber da sind auch andere – z.B. aus unserem früheren Wohnort. Die kann sie nur alle paar Wochen sehen. Da läuft der Kontakt über Facebook. Manchmal mehrmals täglich. Und sie reden – via Internet – über das, was sie bewegt; über ihre Sorgen und ihre schönen Erlebnisse; natürlich auch über Jungs. So wie das Freundinnen eben machen. Und ich finde es toll, dass so eine Freundschaft noch über Jahre andauert, auch wenn man sich nicht oft sieht.

Trotzdem sind wir mit ihr im Gespräch darüber, was Freundschaft bedeutet – auch im Internet. Dass Freundschaft vor allem bedeutet: einander vertrauen. Einander nicht nur die Schokoladenseite zeigen, sondern auch die eigenen Schwächen und Ängste und Unsicherheiten. Füreinander da sein und zueinander stehen, auch wenn’s mal schwer wird, auch wenn’s Mut kostet. Miteinander streiten, aber sich deswegen nicht gleich entzweien; sich auseinandersetzen, aber auch wieder zusammenfinden. Und dass man eine Freundschaft auch pflegen, ja manchmal an ihr arbeiten muss, um die zu bewahren.

Mit zweihundertfünzig Leuten schafft man das wohl kaum. Denn Freundschaft ist etwas Kostbares und keine Massenware. Das weiß natürlich auch unsere Tochter. Und Sie überlegt schon sehr genau, wenn sie einen Freund oder eine Freundin nennt – und wen nicht. Ganz gleich, ob sie bei Facebook unter „friends“ stehen.

Und ich bin froh, wenn sie die Freundinnen und Freunde, die ihr wirklich wichtig sind, auch weiterhin in der Schule oder beim Sport findet.