Frauen fragen
Die Frauenfrage ist wieder da!
Jahrelang war das Thema in der Versenkung verschwunden, das Problem schien gelöst. Eine Frau als Bundeskanzlerin und Alice Schwarzer als Medienstar – wer wollte da noch von Unterprivilegierung sprechen. Und doch gingen am 23. März dieses Jahres in deutschen Großstädten Tausende Frauen mit roten Taschen auf die Straße.
Sie wollten deutlich machen, dass die Taschen von Männern und Frauen immer noch sehr ungleich gefüllt sind: Statistische 23 % beträgt die Einkommensdifferenz im Durchschnitt.
Mir kam das bekannt vor. Nicht mit roten Taschen, sondern mit Topfdeckeln und Trillerpfeifen hatte meine Generation vor 30 Jahren auch schon gegen die Lohndifferenz protestiert. Gleicher Lohn für gleichwertige Leistung hieß unser Slogan. Heute wird auf einem anderen Level diskutiert.
Am Equal pay day 2012, so der Name der Aktion, ging es weniger um Stunden-Sätze und mehr um Chancengleichheit. Protestiert wurde gegen die ungeschriebenen Karriere- Gesetze in den Institutionen der Macht, in Banken und Konzernen, auch in Teilen der Medien, wo Männer früh auf die Überholspur gesetzt werden und binnen weniger Jahre an den gleich gut ausgebildeten Frauen vorbeiziehen. Karriere aber besteht aus Beförderungsschritten, nicht aus Hingabe an einen Arbeitsplatz.
Inzwischen beunruhigen die Herrenclubs der Vorstandsetagen und Geschäftsleitungen auch die Politik. Und eine mutige Arbeitsministerin warf das Instrument der Quote in den Ring.
Es wird für manchen erstaunlich sein, dass diese Diskussion nun auch die evangelische Kirche erreicht hat. (1)
Denn im allgemeinen Bewusstsein ist doch die evangelische Kirche längst in der Hand von Frauen.
Sie stellen die Mehrheit unter den Theologie-Studierenden und haben, das variiert unter den Landeskirchen, zwischen 30 und 40 Prozent aller Pfarrstellen inne. Und dass sie auch hohe und höchste Leitungsämter erreichen können, das ist seit Margot Kaßmanns spektakulärem Rücktritt von diesen Ämtern sozusagen Allgemeingut. Doch eine Käßmann macht noch keinen Frühling – und der genaue Blick auf die oberen Ränge der evangelischen Kirche zeigt, dass da nicht viel passiert ist, seitdem Maria Jepsen 1992 in Hamburg weltweit als erste Frau lutherische Bischöfin wurde und Margot Käßmann ihr sieben Jahre später in Hannover folgte. Die Regionalbischöfe nicht mitgerechnet, stehen auch zwanzig Jahre später nur in zwei von 22 evangelischen Landeskirchen Frauen an der Spitze.
Die Frauenordination ist seit einem guten halben Jahrhundert zum Markenzeichen des deutschen Protestantismus geworden. Die Pfarrerin ist so akzeptiert wie der Pfarrer. Nun muss es darum gehen, auch in den Leitungsämtern zu einem ausgewogenen Miteinander von Männern und Frauen zu kommen. Hier umzudenken, ist noch lange keine Selbstverständlichkeit. Bei Männern nicht und bei Frauen auch nicht. Doch es gehört zum Protestantismus, dass wir die Reformation nicht als ein abgeschlossenes historisches Faktum begreifen. Sie ist eine Aufgabe, die im Sinne der Reformfähigkeit immer wieder neu angepackt werden muss.
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(1) Vergl. Zeitzeichen Nr. 4/2012 und Buch von Ellen Überschär, Fürchtet euch nicht! Frauen machen Kirche, Kreuz Verlag 2012