Der unheimliche Busch
Als Jugendliche bin ich oft im Pferdestall gewesen und bin ausgeritten. Pferde sind sehr ängstliche Tiere. Je nach Typ erschrecken sie sich häufig vor allem Möglichen. Z.B. vor einem Busch. Dann kann es vorkommen, dass das Pferd überhaupt nicht daran vorbeilaufen möchte. Es wird nervös, tänzelt, scheut. Ich bin dann abgestiegen und habe das Pferd einige Meter geführt. Druck zu machen oder das Pferd anzubrüllen, hätte nicht geholfen. Auch wenn ich sah, es ist ja nur ein Busch und kein gefährliches Raubtier, das zum Sprung ansetzt, musste ich mich auf das Pferd einlassen und Geduld zeigen. Es half sehr, wenn ich selbst die Ruhe behielt. So sprach ich ruhig mit dem Pferd.
Wenn ich das Pferd behutsam an den Busch heranführte, konnte es feststellen, dass kein gefährliches Tier in ihm lauerte, und die Angst löste sich. Ich habe mich später manchmal an diese Erfahrung mit den Pferden erinnert. Da kam ich auf meinem Lebensweg selbst an Wegstationen, die mir Angst machten. Eine große Krise erlebte ich, als meine Ehe zerbrach. Das emotionale Durcheinander, das damit verbunden war, erschreckte mich zutiefst. Es fiel mir anfangs schwer, mich den eigenen Gefühlen zu stellen. Ich bin froh, dass ich durch eine gute seelsorgerliche Begleitung lernen konnte: meine Gefühle sind ja gar nicht meine Feinde, sondern meine Freunde. Und da erinnerte ich mich wieder an das Pferd und den Busch. Es war gut, dass ich in der Seelsorge geduldig und sanft an die damals noch unbekannte Innenwelt der Gefühle herangeführt wurde.
So konnte ich feststellen: auch wenn mir etwas zunächst große Angst einjagt, z.B. ein Albtraum, dann kann ich einen Weg finden, mich behutsam damit auseinanderzusetzen und ich werde dabei Hilfreiches entdecken. Meine Sicht auf meine Gefühle hat sich völlig verändert. Sie sind keine üble Last, sondern sie haben eine wichtige Rolle. Sie können mir helfen, mein Leben gut zu bewältigen.
Manchmal haben wir im Leben Angst vor etwas, das nicht gefährlich ist. So wie ein Pferd vor einem Busch. Deshalb lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Und vielleicht fällt mir jemand ein, der mich dabei unterstützen kann. Womöglich entdecke ich dann etwas, das mein Leben nicht bedroht, sondern bereichert.