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von Winterfeld, Charlotte

Eine Sendung von

Evangelische Pfarrerin, Frankfurt

Das Leben: Zum 15. Todestag von Mutter Teresa

Das Leben: Zum 15. Todestag von Mutter Teresa

Ein Mann sitzt in seiner kleinen Küche auf der Eckbank. Ich nenne ihn hier mal Herrn Müller. Er hat sich einen Kaffee gekocht. Das kann er noch. Aber jede Bewegung fällt ihm schwer. Nicht nur wegen seines hohen Gewichtes. Er hat Rheuma. Und er hat Angst. Angst davor, auch nur einen Schritt über die Türschwelle zu setzen. Gedankenrasen und Herzklopfen begleiten ihn fast immer. Seine Wohnung ist zu seinem einzigen Lebensort geworden. Er fühlt sich oft einsam und allein. Vor zehn Jahren musste er seinen Job aufgeben, weil er in einer psychischen Krise steckte. Er hat nicht wieder zurückgefunden in die Welt der Arbeit.

Und bei jedem Besuch fragt Herr Müller: „Wenn es einen Gott gibt, warum gibt es dann so viel Leid?“ Für ihn konkret heißt das: „Warum lässt Gott zu, dass es mir so schlecht geht? Ich kann mein Leben kaum aushalten.“ Ich habe keine schnelle Antwort auf diese Frage. Ich kann ihm auch keine Hoffnung machen, wo keine ist. Herr Müller ist intelligent. Er weiß genau, wie es um ihn steht. Er wird wahrscheinlich nicht wieder ganz gesund.

Wenn ich mal nicht weiter wusste im Leben, dann hat mir ein Text von Mutter Teresa geholfen. Mutter Teresa, die Ordensschwester, - sie hat in den Slums von Kalkutta mit den Ärmsten der Armen gelebt, sie hat Sterbenden und Leprakranken geholfen. Sie war täglich mit extremem Leid konfrontiert. Heute vor 15 Jahren ist sie gestorben. Über das Leben schreibt sie viele kleine Sätze, und irgendeiner passt immer gerade für meine Situation. „ Das Leben ist eine Chance – nutze sie.“ Oder: „Das Leben ist Schönheit – bewundere sie.“ Das würde für Herrn Müller wie Hohn klingen. Die nächsten Sätze passen schon eher: „Das Leben ist Traurigkeit – überwinde sie. Das Leben ist ein Kampf – kämpfe ihn. Das Leben ist eine Herausforderung – stell dich ihr.“ Mutter Teresa redet das Leben nicht schön. Dass es Leid auf der Welt gibt, ist für sie einfach so. Sie fragt nicht danach, warum es entstanden ist. Leid und Schwierigkeiten sind eher etwas zum Überwinden für die Zukunft. Und Gott will genug Kraft dazu geben.

„Von wem sind denn die frischen Blumen?“, frage ich Herrn Müller bei unserm letzten Gespräch. . „Die hat Schwester Sandra vorbeigebracht, meine Krankenpflegerin“, sagt Herr Müller. „Die ist eine ganz nette.“ Dann frage ich: „Was würden Sie denn als erstes tun, wenn Sie sich mal raus trauen?“ Die Antwort kommt schnell: „Ich würde mir beim Kiosk unten eine Zeitung kaufen und zum Main laufen. Auf einer Parkbank würde ich die Zeitung dann lesen.“

„Und wenn Sie es einfach mal versuchen würden, über die Schwelle zu treten? Vielleicht mit jemandem zusammen? Sie können ja auch gleich wieder zurück“, frage ich. Ein kleiner Schritt, aber für Herrn Müller würde das sehr viel bedeuten. Er denkt nach: „Ich könnte ja mal Schwester Sandra fragen.“ „Das Leben ist eine Herausforderung“, sage ich beim Abschied. Herr Müller lächelt und sagt: „Für mich ganz besonders.“

Das Leben ist eine Chance – nutze sie
Das Leben ist Schönheit – bewundere sie.
Das Leben ist Seligkeit – genieße sie.
Das Leben ist ein Traum – mach daraus Wirklichkeit
Das Leben ist eine Herausforderung – stelle dich ihr.
Das Leben ist Pflicht – erfülle sie.
Das Leben ist ein Spiel – spiele es.
Das Leben ist kostbar – geh sorgfältig damit um.
Das Leben ist Reichtum – bewahre ihn
Das Leben ist Liebe – erfreue dich an ihr.
Das Leben ist ein Rätsel – durchdringe es.
Das Leben ist ein Versprechen – erfülle es.
Das Leben ist Traurigkeit – überwinde sie.
Das Leben ist eine Hymne – singe sie
Das Leben ist eine Tragödie – ringe mit ihr.
Das Leben ist ein Kampf – kämpfe ihn.
Das Leben ist eine Herausforderung – stelle dich ihr.
Das Leben ist ein Abenteuer – wage es.
Das Leben ist Glück – verdiene es.
Das Leben ist das Leben – verteidige es.

(Mutter Theresa)