hr2 ZUSPRUCH
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Eine Sendung von

Journalistin und Autorin im Ruhestand, evangelisch, Frankfurt

Christbaumschmuck: So oder so

Christbaumschmuck: So oder so

Nun beginnt sie wieder: die Zeit der Weihnachtsmärkte. Einer größer, schöner - und voller als der andere. Ab Büroschluss ist zum Beispiel in Frankfurt kein Durchkommen mehr. Aber: ich werde auch hingehen. Ich werde vor dem Stand mit den Nürnberger Elisenlebkuchen anstehen. Ich werde nach gelben Honigkerzen fahnden und vor der Alten Nicolaikirche Reibekuchen mit Apfelmus essen Und dann noch schauen, was es an bunten Kugeln gibt – müssen es denn immer rote sein? Vor allem aber werde ich Strohsterne kaufen, von den alten hat inzwischen fast jeder abgebrochene Spitzen. Sie sind halt empfindlich.

Ich gebe zu, originell ist das alles nicht. Ein ganz und gar unmodischer Weihnachtsbaum wird dabei herauskommen. Aber es ist meiner und es werden viele Erinnerungen daran hängen: die Silberkugel, die schon vor dem ersten Weltkrieg den Weihnachtsbaum meiner Großeltern schmückte die Goldsterne, die meine Mutter, später dann meine Schwester geschnitten  Wende erinnert. Dieser persönliche Erinnerungskult war mir als Bestandteil meines Weihnachtsbaums schon immer sehr bewusst. 

Neulich aber wurde ich aufgefordert, die vertrauten Elemente, Äpfel, Kugeln, Girlanden, Kerzen, Sterne, Engel und so weiter – auch noch mit einer viel älteren Erinnerung aufzuladen. Und das war im Bibelhaus. Das Frankfurter Bibelhaus, günstig gleich hinter dem Museumsufer gelegen, nur fünf Minuten zu Fuß von all dem Trubel entfernt, hat eine kleine, feine Weihnachtsausstellung ausgerichtet. „Krippenkind und Kaiserkult“ heißt sie und versucht deutlich zu machen, warum der Evangelist Lukas – etwa im Jahr 90 nach Christus – die Weihnachtsgeschichte so erzählt hat, wie wir sie kennen. Lukas erzählt nämlich gegen eine andere Geschichte an. Und zwar gegen die Vergöttlichung des Kaiser Augustus, dessen Geburt auf alten Monumenten – eins davon steht in der Ausstellung – mit fast den gleichen Worten verherrlicht wird, wie Lukas sie Jahrzehnte später für das Kind in der Krippe benutzte.

Das ist theologisch eine hochinteressante Geschichte. Aber es war nicht das, was ich als Überraschung mit nach Hause nahm. Das waren vielmehr die letzten Objekte der Ausstellung im Bibelhaus: ein kahler Stecken, um den herum etliche Dekorations-Angebote lagen. Ein Tannenreis, ein Apfel, rote Kugeln, eine Girlande, Sterne, Engel, Kerzen – all diese vertrauten Dinge.

Und nun wurde ich aufgefordert, in ihnen mehr zu sehen als den konventionellen Weihnachtsbaum-Schmuck. Etwas hineinzulegen, das den Zuschauern mittelalterlicher Mysterienspiele vielleicht noch gegenwärtig war, uns aber gründlich abhanden gekommen ist: einen biblischen Bezug nämlich. Im Apfel zum Beispiel ist die Erinnerung an den Baum der Erkenntnis aufgehoben, vor den Gott sein großes Verbotsschild aufgestellt hatte. In den glänzenden Kugeln und der Girlande die Erinnerung an die Verführungssituation mit der Schlange. In den Sternen und Engeln die Himmelserscheinungen der Heiligen Nacht und in den Kerzen eine Huldigung an die Jungfrau Maria, die, wie der brennende Dornbusch, vom göttlichen Feuer, das sie in sich trug, nicht verzehrt wird…

Dieser Brückenschlag war mir neu und verblüffend. Ich ließ mich gern davon gefangen nehmen. Ob ich daran denken werde, wenn ich meinen Weihnachtsbaum schmücke? Ich hoffe doch!