Ararat - fester Boden unter den Füßen
Erst hörten sie ein lautes Knirschen, dann erschütterte ein heftiger Ruck das riesige Schiff. Die Insassen freuten sich. Endlich wieder Boden unter den Füßen! Allerdings mussten sie warten, bis das gewaltige Hochwasser soweit abgelaufen war, dass sie die Arche verlassen konnten. Richtig, ich spreche nicht von einem gestrandeten Kreuzfahrtschiff, sondern von der Arche Noah. Einhundertfünfzig Tage lang hatten Menschen und Tiere in der Arche zusammengelebt. Nun waren sie am Gipfel des Berges Ararat gestrandet. Was würde die Zukunft bringen? So schrecklich der Untergang ihrer bisherigen Welt auch war – das Zusammenleben in der Arche erinnerte an die Zeit des Paradieses.
Das war durchaus so etwas wie ein Modell für künftige Zeiten. Vor allem, denke ich, für unsere Gegenwart und für die Zukunft des Lebens auf der Erde. Von einem friedlichen Zusammenleben von Mensch und Natur kann derzeit wahrlich nicht die Rede sein. Gewiss, es gibt Naturschutzgebiete und Naturschützer. Aber es gibt eben auch die gnadenlose Abholzung riesiger Wälder, das Leerfischen der Meere und ihre Verschmutzung, es gibt die Massenviehhaltung und andere Schrecklichkeiten.
Hatte sich Gott das gerettete Leben so gedacht? Nun, die biblische Erzählung ist da sehr realistisch. Als Ursache für das große Sterben nennt sie Gottes Zorn über seine verdorbenen Geschöpfe. „Der Herr sah, dass der Menschen Bosheit groß war auf Erden und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse war.“ (Gen 6,5) Und jetzt, nach der Rettung des untadeligen Noah und seiner Familie? Da heißt es: Gott „sprach in seinem Herzen: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf.“ (Gen 8, 21) Da hat sich also nichts geändert. Die Sünde steckt der Menschheit gewissermaßen in den Knochen. Trotzdem vertraut Gott seine Schöpfung der Menschheit an. Die Welt mit ihrer Vielfalt und Schönheit soll Bestand haben. Allerdings gehören auch ihre Schrecken und Naturkatastrophen dazu.
Damit gibt es eine doppelte Lehre vom Berge Ararat. Die eine sagt: Trotz allem können wir immer wieder Boden unter die Füße bekommen. Und das gilt nicht nur für die großen Menschheitskatastrophen. Es gilt auch für unsere privaten Schicksale, besonders nach enttäuschenden oder furchtbaren persönlichen Erfahrungen. - Das andere ist ein Versprechen Gottes. Er schließt nämlich ein feierliches Bündnis mit der Menschheit und sagt: Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ (Gen 8,22) Gewissermaßen als Siegel auf dieses Versprechen soll ein himmlisches Zeichen dienen: der Regenbogen. „Gott sagte zu Noah: Das sei das Zeichen des Bundes, den ich aufgerichtet habe zwischen mir und allem, was auf Erden lebt.“ (Gen 9,17)