hr2 ZUSPRUCH
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Vorländer, Martin

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer und Senderbeauftragter für den DLF, Frankfurt

Ach übrigens, vergiss nicht: Ich liebe dich

Ach übrigens, vergiss nicht: Ich liebe dich

„Ach übrigens, denkst du dran, Milch einzukaufen. Vergiss nicht: Die Hemden müssen aus der Reinigung abgeholt werden. Wir brauchen noch ein Geschenk für die Einladung heute Abend. Und am Wochenende müssen wir endlich mal den Keller ausmisten.“ Ich liebe sie, die Auftragslisten und Schlussermahnungen, die man sich beim Verlassen der Wohnung mit auf den Weg in den Tag gibt. Da weiß man doch, was man zu tun hat, und muss nicht befürchten, den Tag Däumchen drehend auf dem Sofa zu verbringen. Denn man hatte ja sonst nichts auf dem Tagesprogramm stehen…

Beim morgendlichen Abschied an der Wohnungstür will man noch alles an den anderen loswerden, was für heute wichtig ist. Das summiert sich schnell zu einer stattlichen Zahl an Aufgaben für den Tag. Irgendwie beschleicht einen dabei das Gefühl, dass schier unendlich ist, was noch zu erledigen ist, und immer viel zu viel auf der Strecke bleibt. „Wir sollten mal, wir müssen endlich“ oder gar „du solltest mal, wann machst du endlich?“

Schlussermahnungen sind ein Klassiker. Die Briefe des Apostel Paulus an seine Gemeinden enden meistens mit ganzen Kapiteln voller Empfehlungen und Aufträgen. Wie sich die Einzelnen in der Gemeinde untereinander vertragen sollen, um wen sie sich kümmern müssen, vor welchen schlechten Einflüssen sie sich besser hüten und was ihnen hilft, um auf dem guten Weg zu bleiben. Alles kluge Ratschläge, geistreiche Worte, die man sich zu Herzen nehmen kann.

Aber ganz oben, vor allem anderen steht ein Satz, kurz und bündig, der doch alles sagt. Er hat nichts mit „ihr solltet, ihr müsstet“ zu tun. Sondern es geht um Geschehen-lassen: „Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen!“ (1. Korinther 16, 14)

Alle eure Dinge. Da ist alles drin, die täglichen kleinen Erledigungen genauso wie der große Wurf, den man sich vorgenommen hat. Paulus ist überzeugt: Ganz gleich, wie groß oder klein das ist, was wir tun, wenn es liebevoll geschieht, hat es Sinn, ist es bedeutsam und kostbar. Umgekehrt gilt: Es ist alles nichts, wenn wir es lieblos tun. Paulus geht sogar so weit zu sagen: Selbst wenn ich so klug wäre, dass ich alle Geheimnisse dieser Erde verstehen würde, selbst wenn ich all mein Geld den Armen geben würde, ja selbst wenn ich einen so großen Glauben an Gott hätte, dass ich Berge versetzen könnte – wenn ich das alles ohne Liebe tue, dann ist es nichts wert.

Liebe meint nicht nur das Gefühl zwischen zwei Menschen oder die Liebe zwischen Eltern und ihren Kindern. Liebe ist die Kraft in uns, die über alle Unterschiede und Zerrissenheit hinweg das Verbindende sucht. Streit, Trennung, Gegeneinander gibt es genug. Das, was zusammenführt, ist das Besondere. Das ist eine zarte Schlussermahnung, die ich mir morgens an der Haustür beim Start in den Tag selbst geben kann: „Denk dran: Was du auch tust, lass es in Liebe geschehen.“ Und bei allen morgendlichen Erinnerungen an den Menschen, mit dem ich lebe, darf auch diese dabei sein: „Ach übrigens, vergiss nicht: Ich liebe dich.“