Youssefs Rettung
„Ich habe es geschafft! Ich habe überlebt. Aber Tausende von meinen Brüdern und Schwestern sind ermordet worden“, erzählte mir Youssef, ein assyrischer Christ aus Mossul im Irak. Ich habe ihn bei einem ökumenischen Gottesdienst kennen gelernt. Youssef und seine Familie hatten Glück gehabt. Ihre Flucht nach Deutschland war dramatisch und gefährlich, aber schließlich ist sie geglückt. Mittlerweile haben sie in Deutschland Asyl bekommen. Und sie wissen nicht, ob sie jemals in ihre Heimat zurückkehren können.
„Wir kommen aus einer Stadt, die etwa 400 km nordwestlich von Bagdad liegt, erklärte Youssef. In Mossul haben schon Christen gewohnt, als es den Islam noch gar nicht gab. Und heute? Heute werden unsere Schwestern und Brüder dort zu Tausenden ermordet, unsere Kirchen werden verwüstet, geplündert und verbrannt. Das ist feiger Massenmord! Nur weil wir Christen sind.“
Verbittert erzählte Youssef weiter: „Ich bin nach einem Gottesdienst in unserer Kirche entführt und in ein Gefängnis gesteckt worden. Dabei hatte ich doch überhaupt nichts gemacht! Mein einziges Verbrechen war, dass ich gläubiger Christ bin. Sie haben mich in den Kerker geworfen und gefoltert. Es war eine furchtbare Zeit. Ich wusste nicht, was mit meiner Familie war. Ich wusste nicht, ob ich jemals wieder frei sein würde. Niemand redete mit mir, und ich hatte schrecklich Angst. Das einzige, was ich machen konnte, war beten. Ich betete zu Gott. Ich schrie um Hilfe, fing an zu weinen, betete wieder und sang unsere alten christlichen Lieder. Mir blieb gar nichts anderes übrig. Sonst wäre ich verrückt geworden!“
Im Gefängnis singen. Unglaublich! Aber das Singen hatte Youssef Hoffnung gegeben und ihn am Leben gehalten. Ich versuchte mir das vorzustellen: Alles christliche Leben war in Youssefs Heimatstadt zerstört worden. Die Kirchen brannten, die Menschen waren vertrieben oder ermordet worden. Und Youssef saß im Kerker und sang christliche Lieder.
Es ist wie in der biblischen Geschichte vom Apostel Paulus und seinem Freund Silas: Sie waren damals aufgrund ihres christlichen Glaubens festgenommen worden. Sie wurden in ein dunkles Verließ gesteckt. Bis tief in die Nacht hinein beteten die beiden zu Gott und sangen Loblieder. Auch die anderen Gefängnisinsassen konnten ihre Lieder hören. Sie klangen weit über das Verließ hinaus und gaben ihnen Hoffnung. Im Neuen Testament wird dann weiter berichtet, dass ein Erdbeben die Gefängnismauern einstürzen ließ. Paulus und Silas wurden wie durch ein Wunder befreit.
Auch Youssef aus dem Irak wurde gerettet. Nach einer schier endlosen Zeit im Gefängnis kam endlich ein Aufseher und schmiss Youssef ohne ein weiteres Wort zu sagen aus seiner Zelle heraus. Er war von seiner Familie frei gekauft worden. Der ganze mühsam gesparte Besitz der bürgerlichen Familie war damit auf einen Schlag weg. Aber Youssef lebte noch, und nur das zählte. Es war klar, dass er und seine Familie und alle anderen christlichen Nachbarn in dieser Stadt nicht bleiben konnten. Die Terroristen würden wieder kommen. Christliche Aramäer, Chaldäer, Assyrer und Armenier – zu Tausenden sind sie in den letzten Jahren aus ihrer Heimat im Irak geflüchtet. Genau wie die Familie von Youssef.
„Mit Gottes Hilfe sind wir gerettet worden“, sagte er. „Ich bete jeden Tag zu Gott und danke ihm, dass wir es geschafft haben. Und nun werde ich nicht eher ruhen, bis die ganze Welt von diesem Massenmord erfährt und unseren Brüdern und Schwestern im Irak endlich geholfen wird."