Wohnungen Gottes für zuhause?
Ein schwäbischer Unternehmer verkauft seit kurzem Hauskapellen. Das heißt genauer es gibt Hauskapellen für den Garten oder auch Miniaturkapellen für den Balkon. Die kleinen kosten 200 bis 350, die großen Kapellen schon runde 20 000 Euro. Mir fällt einiges ein, warum man sich besser keine Kapelle in den Garten stellen sollte. Aber zunächst einmal gefällt mir die Idee. In meinen Worten lautet sie: Nimm dir eine Wohnung für Besinnung und Meditation, traditionell gesprochen: Nimm dir eine Wohnung fürs Gebet. Und wenn man einmal darüber nachdenkt, was eine Wohnung für einen Menschen bedeutet, dann wird noch klarer, warum die Idee von der Hauskapelle etwas hat. Denn die Wohnung bietet Schutz für die Intimität und ein Zentrum für das Leben, von wo aus man in andere, neue Räume aufbrechen kann. So ist es kein Wunder, dass die Wohnung einer Person im Grundgesetz Artikel 8 besondere Beachtung und besonderen Schutz findet: „Die Wohnung ist unverletzlich“, heißt es da.
Wer sich nun eine kleine Hauskapelle zulegt, gibt dem Glauben einen nahen Raum. Man ist nicht mehr darauf angewiesen, dass man es aus dem eigenen Inneren heraus schafft, sich täglich neu einen Raum für Stille zu nehmen. Denn das ist schließlich nicht leicht. Vielleicht fasziniert mich diese Idee deshalb, weil ich einmal selbst erfahren habe, wie gut eine solche Kapelle tun kann. Sie stand im Garten einer Ferienwohnanlage am Gardasee. Die Türen waren offen und ich konnte einfach so zwischendurch einkehren und verweilen.
Aber es gibt natürlich auch Vieles, was man gegen diese Idee haben kann. Eine Hauskapelle könnte es fördern, dass der Glaube noch mehr nur in privaten Räumen gelebt wird. Sie unterstützt die Meinung, dass Religion doch etwas sehr Subjektives ist. Damit wird noch mehr ins Abseits gedrängt, was Christinnen und Christen ebenfalls wichtig ist: dass der Glaube eine öffentliche Sache ist. Und natürlich erinnert so etwas auch an die Frömmigkeit von Burgherren und Adel. Sie haben sich schon immer ihr eigenes Gotteshaus geleistet. So gesehen wird nun für alle möglich, was früher nur den Herrschenden einer Gesellschaft zugestanden wurde. Aber ist das deshalb schon gut? Schließlich glauben Christen nicht an Kirchengebäude, sondern an Jesus Christus, wozu also Minikirchen aufstellen oder Kapellen einrichten?
Ich meine, dass die Hauskapellen entgegen all diese Einwände doch auf etwas aufmerksam machen, was wichtig ist. Es ist die Hochschätzung eines eigenen Raums für den Glauben. Was dieser bedeuten kann, lässt sich an den großen Kirchen ablesen: Der Raum der Kirche galt schon immer als Schutzraum. Bevor die Wohnung grundgesetzlich geschützt wurde, galt bereits seit Jahrhunderten, dass der Kirchenraum unverletzlich ist. Er steht für den Schutz des Menschen bei Gott und für die unverbrüchliche Beziehung zwischen Gott und Mensch. Er steht für die Liebe, die anders als alle menschliche Liebe, unverbrüchlich ist. So wie es bei Paulus im Brief an die Gemeinde in Rom zu lesen ist: „Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Jesus Christus ist.“
Die Miniaturkapelle auf dem Balkon der eigenen Wohnung ist einerseits Geschmackssache. Andererseits teilt sie auch immer etwas mit. Für mich ist das so etwas wie: Ich weiß, dass mein Wohnraum, ja das letztlich auch jeder Kirchenraum verletzt werden kann. Doch beide sollen geschützt werden, weil in ihnen das geschützt wird, was uns ausmacht. Verletzliche Geschöpfe zu sein, die auf Schutzräume angewiesen sind.