Wenn Arbeit krank macht
„Das war ja wohl nichts“, sagt der Chef. „Jetzt noch mal von vorn. Sie brauchen mehr Struktur.“ Katja beißt die Zähne zusammen. Umsonst hat sie das ganze Wochenende zuhause gearbeitet, an wichtigen Briefen und Präsentationen. Sie hatte gehofft, wenigstens einmal ein Lob zu hören oder ein wenig Anerkennung zu spüren. Vor sechs Monaten hatte Katja die Abteilung gewechselt. Vorher war sie sehr erfolgreich. Hoch motiviert war sie auch an die neue Aufgabe herangegangen. Seitdem ist sie jeden Morgen früh da und bleibt bis abends spät. Aber zwischen ihr und dem Chef stimmt die Chemie einfach nicht. Von Anfang an hatte er irgendwie ein negatives Bild von ihr: zu langsam, zu ineffektiv, zu unstrukturiert. „Irgendwie nerve ich ihn“, denkt sie. Inzwischen hat sie eine große Wut im Bauch und schläft auch manchmal schlecht.
Ich höre und lese immer mehr von Menschen wie Katja, die die Arbeit krank macht.
Gerade kürzlich erst vom Trainer von Schalke 04, Ralf Rangnick. Er ist zurückgetreten wegen Burnout, wegen Ausgebranntsein, wegen eines schweren Erschöpfungszustandes. Aber muss man so lange warten, bis man ganz zusammenbricht?
Katja jedenfalls will jetzt schon etwas ändern. In der Burnoutforschung gelten als wichtige Faktoren zur Vermeidung eines Burnouts: nichts verharmlosen, sich selbst ernst nehmen; körperliche Bewegung, Entschleunigen, d.h. auch einmal Termine absagen, sich nicht unter Druck setzen lassen, Pflege des sozialen Netzes. Das ist leichter gesagt als getan. Katja fängt mit kleinen Schritten an. Sie redet sich bei guten Freunden regelmäßig den Kummer von der Seele. Sie reden so lange, bis sie zusammen richtig lachen können über die Situation und den Chef.
Und sie hat sich in einem Ruderclub angemeldet. Rudern lernen, das wollte sie schon lange mal. Jetzt lässt sie dienstags um 18 Uhr den Stift fallen und geht zum Training. Bei den vielen Überstunden kann ihr Chef nichts dagegen sagen. Manchmal muss sie sich aufraffen, aber hinterher sitzt sie immer verschwitzt und glücklich mit den anderen vom Ruderclub zusammen.
Außerdem hat ihr ein Freund die Adresse von einem Coach gegeben. Der bespricht die Situation professionell mit ihr und zeigt ihr neue Handlungsmöglichkeiten. In der letzten Sitzung hat er ihr folgenden Satz zum Auswendiglernen gegeben: „Ich bin mit meinen Gefühlen und Gedanken wichtig und ein Geschenk und drücke meine Gedanken immer mehr aus.“ Diesen Satz von Katjas Coach finde ich sehr gut. Für mich selbst ergänze ich: Katja, ich habe große Hochachtung vor dir, wie du deine Situation jetzt meisterst. Ja, du bist ein Geschenk Gottes, und Gott sieht sicher auch die versteckten Dinge, die du durchmachst und leistest.