Krieg gegen den Terror
Neun Tage schien alles offen. Neun Tage lang beklagte die Welt die Toten der Attentate vom 11. September.
Neun Tage bangte die Welt und fragte sich: Was kommt jetzt?
Dann schloss sich das Fenster. Und der damalige US-Präsident George Bush verkündete aller Welt, wie die nächsten zehn Jahre aussehen würden.
Heute, genau vor 10 Jahren, am 20. September 2011 erklärte George W. Bush den War on Terror, den Krieg gegen den Terrorismus.
Die Folgen sind bekannt: Kriege, die nicht zu beenden sind, und ein völlig überschuldeter Staatshaushalt. Als George Bush heute vor 10 Jahren den Krieg gegen den Terror ausrief, begann das, was viele Journalisten heute als den Abstieg einer Supermacht bezeichnen.
Es gab damals leider zu wenige Stimmen, die vor Bushs kriegerischen Kurs gewarnt haben. Zu den prominenten Warnerinnen zählte damals die Republikanerin Barbara Lee, Kongressabgeordnete aus Kalifornien.
Der US-Kongress sollte Geld für Antiterrormaßnahmen bewilligen. Barbara Lee hielt eine Rede vor dem US-Repräsentantenhaus, in der sie davor warnte, Rache zu üben. Damals sagte sie folgendes:
Dieser unaussprechliche Angriff auf die Vereinigten Staaten hat mich dazu gebracht, mich auf meinen moralischen Kompass zu verlassen, auf mein Gewissen und meinen Gott, um Orientierung zu finden. Der 11. September hat die Welt verändert. Unsere tiefsten Ängste verfolgen uns jetzt. Und doch bin ich überzeugt, dass militärische Aktionen nicht in der Lage sind, weitere Akte des internationalen Terrorismus gegen die Vereinigten Staaten zu verhindern.
Und weiter sagt sie: Wir dürfen nicht vorschnell urteilen. Viel zu viele unschuldige Menschen sind schon gestorben. Wenn wir möglichst schnell einen Gegenangriff starten, riskieren wir zu sehr, dass Frauen und Kinder und andere Zivilisten im Kreuzfeuer getötet werden.
Ich habe mir über diese Abstimmung den Kopf zermartert. Aber während des äußerst traurigen und doch schönen Gedenkgottesdienstes für die Opfer des 11. September habe ich Klarheit gefunden. Ein Mitglied des Klerus formulierte es eindrucksvoll: „Lasst uns in unserem Handeln nicht zu dem Übel werden, das wir beklagen.“
So weit das, was die Abgeordnete Barbara Lee vor rund 10 Jahren sagte. Sie wollte nicht, dass andernorts Menschen dasselbe erleiden, was die Amerikaner gerade erlitten hatten: dass Unschuldige sterben, dass Menschen in brennenden Häusern festsitzen, das sich morgens Eltern von ihren Kindern verabschieden und abends nicht mehr heimkehren.
Sie wurde damals nach ihrer Rede belächelt. Kommentatoren sagten sinngemäß: „Was für ein Weichei! Wie naiv diese Frau doch ist mit ihren Weltverbesserungsvorschlägen. Doch das hier ist kein Puppentheater, das ist die Realität.“
So klang der Spott damals. Es hat sich aber herausgestellt: Nicht Barbara Lee war naiv. All diejenigen waren es, die sich damals für die großen Realisten hielten. Denn sie waren in ihrem Alptraum gefangen. Sie hatten keinen Blick mehr für die Wirklichkeit.
Was Barbara Lee als eine der Wenigen damals begriffen hatte: Man soll nie aus Wut zurückschlagen. Zorn ist ein schlechter Ratgeber. Es ist richtig, seinen Gefühlen Raum zu geben. Aber es ist falsch, aus solch einer aufgewühlten Gefühlslage heraus zu handeln.
Wer in seiner Wut und in seinem Zorn gefangen ist, sollte das tun, was Barbara Lee getan hat. Er sollte sich auf die Werte besinnen, für die er sich schon vorher entschieden hat: Zurückhaltung, Höflichkeit, Nächstenliebe, selbst Feindesliebe. Solche Werte verlieren ihre Gültigkeit auch dann nicht, wenn man selbst benommen ist vor Schmerz.
Barbara Lee stimmte als Einzige gegen den Krieg gegen den Terror. Ihr Abstimmungsverhalten wirkte auf manche damals kauzig. Aber so einsam Barbara Lee war, ihre friedfertige Haltung hat sich als weise erwiesen.