Facebook vermittelt Einblicke in das Buch des Lebens
Wer Facebook für ein Buch hält, scheint nicht ganz auf der Höhe der Zeit zu sein. Das Wort „Buch“ steckt zwar im Namen, aber Facebook ist ja ein Online-Netzwerk, und zwar das weltgrößte mit rund 600 Millionen Mitgliedern, knapp 20 Millionen davon in Deutschland. Auf jeder Facebook-Seite finden sich Einträge von Leuten, die etwas von sich erzählen und auch Bilder von sich zeigen, sie teilen anderen mit, was sie gerade beschäftigt; wieder andere kommentieren dies und schenken diesem Menschen damit ganz alltäglich und direkt ihre Aufmerksamkeit. Kurzum: Facebook macht Leute aufeinander aufmerksam.
Für mich hat dieses neue Kommunikationsmedium auch eine religiöse Dimension. Denn die Facebook-Idee spielt mit einer biblischen Vision. Sie findet sich am Ende der Bibel in der Apokalypse des Johannes. Hier wird von einem Buch des Lebens gesprochen. Es muss gigantisch sein. In ihm stehen, so ist die Vorstellung, die Namen von den Personen, die über das Ende der Welt hinaus in und mit Gott leben werden (Offenbarung des Johannes 17, 8). Mit dem Buch des Lebens stellten sich die Christinnen und Christen der ersten Zeit ein Medium vor, in dem sie selbst, ihre Namen und ihre Geschichten einen unvergänglichen Platz erhalten. Ein Sinnbild dafür, dass das Leben eines Menschen nicht einfach nur aufhört, sein Name dann nach und nach immer weniger ausgesprochen wird, bis er irgendwann ganz verschwindet. Ein Sinnbild dafür, dass weder mein Leben noch das Leben von anderen Menschen nach dem Tod einfach keine Aufmerksamkeit mehr erhält. Gott bleibt aufmerksam. Man könnte auch sagen: Weil Gott gegenwärtig ist, verliere ich mich nie ganz. Das ist auch mit dem Satz gemeint, der häufig bei Taufen zitiert wird: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein.“ (Jes. 43, 1) Gott, der mich am Anfang meines Lebens beim Namen gerufen hat, der gibt mir auch am Ende meines Lebens seine Aufmerksamkeit.
Ist Facebook so etwas wie das Buch des Lebens? Es ist klar, dass der Vergleich Grenzen hat. Denn Facebook schreiben wir selber. Beim biblischen Buch des Lebens ist der Autor Gott. Und dies hat weitere Konsequenzen: In Facebook lege ich mein Profil selbst an. Im Buch des Lebens macht das Gott.
Schließlich: Facebook bringt Menschen zusammen, manchmal auf überraschende und wunderbare Weise. So ergeben sich Kontakte zu Menschen, die man aus den Augen verloren hat. Politische Partizipation bekommt neue Formen, bis hin zu Revolutionen. Aber andererseits ist dies nie alles, was Facebook bewirkt. Denn gleichzeitig werden Daten gesammelt, damit Firmen neue Märkte erschließen. In Facebook hat Kommunikation immer auch einen Zweck. Im Buch des Lebens kommt alle Verzweckung an ihr Ende. Da geht es nicht mehr um Zweck, sondern um Sinn. Und der liegt darin, am Leben Gottes teilzuhaben. Am Leben Gottes, der auch dann aufmerksam bleibt, wenn man es selbst nicht mehr sein kann.