Unsichtbare Behinderung
Freitagabend, ein Spätsommerwochenende. Lutz und ich haben uns auf einen Wein verabredet. Draußen ist es noch angenehm. Wir setzen uns an einen freien Tisch. Nach einer Weile kommt ein Paar und fragt, ob sie sich dazu setzen dürfen. Warum nicht, bitte sehr. Als die beiden einen Aschenbecher holen, steht Lutz abrupt auf. Raucher. Lutz hat eine schwere Lungenerkrankung, jeder Rauch macht ihm das Atmen schwer und verschlimmert seinen Zustand. Es ist eine unsichtbare Behinderung. Ich gehe hinter ihm her: „Warum hast du nichts gesagt?“ – „Was soll ich sagen? Raucher bitten, nicht zu rauchen? Wo es doch erlaubt ist? Mir reichts.“ Lutz ist zornig. Wir gehen also rein. Ich schweige, denke nach: Warum fragt keiner, auch wenn sie draußen zusammensitzen: Stört es Sie, wenn ich rauche?
Warum fällt es schwer, um Rücksicht zu bitten?
Gleichzeitig denke ich: Woher sollen die Leute wissen, dass Lutz diese schwere Lungenerkrankung hat? Wie geht das zusammen: Rücksichtnahme von den einen und Schutzbedürfnis von den anderen? Vorsichtig frage ich Lutz: „Was hat dich gehindert, zu sagen, dass du eine Lungenerkrankung hast und Rauch nicht verträgst?“ Er seufzt. „Es fällt mir schwer, ständig um Rücksicht bitten zu müssen. Es nervt. Auf Facebook habe ich zum Beispiel nach einem rauchfreien Hotel gesucht. Die Kommentare waren zum Teil echt gemein: Mit einem Lungenproblem soll ich doch zuhause bleiben und nicht anderen ihren Urlaub mit Rauchverbot vermiesen. Es sei ihr gutes Recht und so weiter.“
Verständnis gibt es selten
„Nur eine Frau war entsetzt und schrieb: Sie rauche selbst und ihr würde nie einfallen, so respektlos gegenüber jemandem zu sein, der Rauch unbedingt aus dem Weg gehen muss. So viel Verständnis ist selten.“ Ich würde Lutz gern ermutigen, für sich zu sorgen, ihm gern sagen: Es ist ein Zeichen von Stärke, andere um Rücksicht zu bitten. Aber ich verkneife es mir. Und wünsche ihm, dass er bald auf Menschen trifft, die freundlich und rücksichtsvoll mit seiner unsichtbaren Behinderung umgehen. Und die ganz praktisch an jedem Ort aus Nächstenliebe fragen: Stört es Sie, wenn ich rauche?