hr1 ZUSPRUCH
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Schäfer, Christoph

Eine Sendung von

Katholischer Religionslehrer, Rüsselsheim

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Vorbildliche Kritikfähigkeit

Oft hab ich mir das schon gewünscht: Bei berechtigter Kritik will ich souveräner reagieren können. Ich hab nämlich das Gefühl: Solche Kritik erwischt mich oft auf dem falschen Fuß. Wenn ich gestresst bin. Oder unsicher. Und besonders dann, wenn ich mich auf Harmonie gefreut hab. Vor ein paar Monaten ist deshalb zum Beispiel ein eigentlich netter Abend schiefgegangen: Ich bin bei einer Verabredung spät dran gewesen. Weil ich getrödelt hab. Ein Freund hat mir das dann unter die Nase gerieben. Völlig zu recht. Aber ich konnte das trotzdem nicht wegstecken. Und dieser Ärger lag dann den ganzen Abend noch in der Luft.

Das war ihm sehr wichtig

Beim Thema „mangelnde Kritikfähigkeit“ hatte ich vor einer Weile eigentlich schon resigniert. Und mich mit meiner Dünnhäutigkeit abgefunden. Aber jetzt hab ich ganz aktuell einen neuen Anlauf genommen: Ich will Kritikfähigkeit trainieren. Ganz ernsthaft, aber auch mit einer Prise Humor. Den Anstoß hat mir eine kuriose Geschichte über eine Persönlichkeit gegeben, die nicht gerade für Selbstkritik bekannt war: Friedrich der Große. Er hat vor rund 250 Jahren mit harter Hand Preußen regiert. Vor kurzem hab ich sein prächtiges Schloss Sanssouci besichtigt. Und musste plötzlich schmunzeln: Der Audioguide hat nämlich verraten: Am Hofe des „alten Fritz“ galt es als absolutes Privileg, ihn kritisieren zu dürfen. Und dieses Privileg hatte ausgerechnet sein Flötenlehrer: Joachim Quantz. Er konnte natürlich nur das Flötenspiel tadeln. Und auch nur in Form eines Hüstelns, wenn seine Majestät sich verspielt hat. Aber immerhin. Vermutlich hat Friedrich gemerkt: Nur wenn er Kritik zulässt, kommt er beim Flöte-Spielen weiter. Und das war ihm sehr wichtig.

Von meinem hohen Ross steigen

Vermutlich hat mich die Geschichte so amüsiert, weil ich letztlich über mich selbst geschmunzelt hab. Wenn nämlich sogar so ein Herrscher eingesehen hat: Konstruk-tive Kritik kann nützlich sein. Dann sollte auch ich mal von meinem hohen Ross steigen. Und mich häufiger auf solche Kritik einlassen. Auch wenn in meinem Alltag niemand hüstelt, um mich zu kritisieren. Sondern Klartext redet.

Es wirft mich nicht um

Meine erste Trainingsbilanz lautet: Ich habe noch lange kein „dickes Fell“. Aber ich merke: Ich reagiere manchmal auf Kritik gelassener, als ich mir das vorher zugetraut hab. Und ich spüre, dass es stimmt: Konstruktive Kritik wirft nicht um. Sondern tut letztlich gut.