Onkel zu mieten
In unserer Gesellschaft kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass ein gewisser Jugendwahn herrscht. Alte Frauen finden kaum Platz in der schönen faltenlosen Welt, Männer dagegen schon. Doch inzwischen ist auch von „alten weißen Männern“ die Rede und das ist durchaus abwertend gemeint.
Die Vermietungsagentur "Ossan-Rental"
Das ist nicht nur in Deutschland so, sondern auch in anderen Ländern. Die Japaner versuchen, das Image der Männer zu polieren - mit der Vermietungsagentur „Ossan-Rental“. Ossan lässt sich übersetzen mit Onkel. Das ist ein nicht sehr höflicher Begriff für Männer in den besten Jahren. „Alter Sack“ wäre die unhöflichere, aber genauere Übersetzung.
Der Ruf älterer Männer soll aufgewertet werden
Der Gründer Takanobu Nishimoto und rund 60 weitere Herren legen sich mächtig ins Zeug, um den Ruf älterer Männer aufzuwerten. Für längstens zwei Stunden sind sie als Onkel buchbar, als Shopping-Begleiter, Sportkamerad, vor allem aber als geduldige Zuhörer.
Vor allem Frauen buchen diesen Service
Die Gebühr ist niedrig. Ein nettes Treffen soll sich jede leisten können, denn zu 90 Prozent buchen Frauen die seriösen und lebenserfahrenen Begleiter. Sich einem Fremden zu offenbaren, sich Expertise von außen zu holen, scheint beliebt zu sein, denn die Agentur hat regen Zulauf und inzwischen auch Konkurrenz bekommen.
Die meisten Frauen schütten ihr Herz aus, fragen die Onkel um Rat bei Eheproblemen, Erziehungsfragen oder Freundinnenstress, weihen sie ein in den Streit mit den Eltern oder lassen sie teilhaben an ihren Problemen an der Uni oder am Arbeitsplatz.
In der Bibel galten ältere Menschen als weise
Mit der Onkel-Agentur handeln die Japaner nach gutem biblischen Vorbild. Denn damals galten ältere Männer und Frauen als weise Menschen mit großem Erfahrungsschatz, denen Respekt zu zollen ist. „Vor einem grauen Haupt sollst du aufstehen und die Alten ehren“, heißt es im Alten Testament (3. Mose 19, 32a).
Respektvolles Miteinander üben
Hierzulande wünschen sich ältere Menschen auch, dass ihr Rat, ihre Erfahrung gefragt ist. Da bieten sich auch Kirchengemeinden als Trainingsgelände an. Hier gibt es Raum, respektvolles Miteinander einzuüben. In einigen Gemeinden gibt’s Erzählcafés oder biografische Lesungen. Eine gute Bühne, Älteren zuzuhören, ihnen Fragen zu stellen und von ihnen zu lernen.