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Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Frankfurt

Andere zu demütigen ist kein Zeichen von Freiheit, sondern von Respektlosigkeit

Ich muss noch einmal auf Januar zu sprechen kommen: Auf die große Solidarität mit der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo. „Je suis Charlie!“ – wir alle waren ein bisschen Charlie Hebdo, haben uns angesichts des furchtbaren Terroranschlags in den Redaktionsbüros im Zentrum von Paris stark gemacht für die Freiheit der Presse und für das Recht auf Satire.

Ich stelle nicht die Freiheit der Presse in Frage. Aber ein Aspekt aus den Diskussionen des Januar geht mir nach. Ich glaube, dass es nicht immer gleich ein Zeichen von Freiheit ist, wenn wir die religiösen Gefühle von Menschen verletzen. Welchem Ziel dient es, sich über den Glauben von Menschen lustig zu machen? Wenn ich weiß, dass bestimmte Formen der Darstellung das religiöse Empfinden verletzen und Angehörige dieser Religion zutiefst beleidigen und zornig machen, warum tue ich es dann?

In der deutschen Geschichte hat es Zeiten gegeben, in denen man geradezu in einen medialen Wettbewerb getreten war, die jeweils andere Seite, die einen anderen Glauben als man selbst hatte, durch immer neue Karikaturen zu demütigen und zu verletzen. Da stellt Lukas Cranach den Römischen Papst als dummen und selbstgefälligen Esel dar. Und im Gegenzug wird auf katholischen Flugblättern der Reformator Luther als eine Art Dudelsack gezeigt, auf dem der Teufel munter musiziert. Hauptsache, es tut weh.

Auch die Traditionen der jüdischen Religion wurden über Jahrhunderte hinweg durch Karikatur und gehässige Verzeichnung verächtlich gemacht. In Flugblättern und Druckschriften, aber auch als kunstvolle Steinmetzarbeiten an christlichen Kirchen, werden jüdische Menschen und ihre Religion in satirischen Darstellungen beleidigt, gedemütigt und verletzt.

Man kann das nicht vergleichen? Will ich auch nicht. Aber dass die Verletzung religiöser Gefühle an sich noch keinen besonderen Gewinn darstellt, das wird man sagen dürfen. Wenn Welten sich begegnen, Religionen und Menschen mit unterschiedlichen Ansichten – dann wünsche ich mir, dass wir mehr und mehr lernen, unsere verschiedenen Werte gegenseitig gelten zu lassen. Und unsere unterschiedlichen Arten zu glauben auch.

Zu unseren unverzichtbaren Prinzipien gehören neben der Freiheit doch auch Gleichheit und Brüderlichkeit. Und unter Brüdern, unter Geschwistern sollte es nicht so schwer fallen, einander respektvoll zu begegnen.