hr1 ZUSPRUCH
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Kristen, Dr. Peter

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer und Studienleiter, Religionspädagogisches Institut Darmstadt

Du Opfa [sic]

Du Opfa [sic]

„Was stehst du hier rum, du Opfa, hast du keine Freunde“? Vor ein paar Tagen hab ich das wieder mal gehört, auf dem Gang in der Schule. Als ich bei der Gruppe von Jungs stehen geblieben bin, einfach mal stehengeblieben, da hat ein cooler Achtklässler von selbst die typische Erklärung für seine Gemeinheit parat gehabt: Weg mit dem cooler Rapperblick, Kinn runter und „War doch nur Spaß, eigentlich sind wir doch Freunde!“

Eigentlich, der verängstigte Blick des angeblichen Freundes widerspricht zaghaft. Du Opfa, schreiben würde man es mit einem „a“ am Ende wie manche Rapper. Die Anrede ist wie ein Stempel, den man jemandem auf die Stirn drücken will, ein Urteil über alles, was er ist, ein Loser eben, ein typisches Opfer, immer und überall. Ein Stempel, den man einfach nicht mehr wegwischen kann, so dass er fast wie eine Tätowierung wird. Als Schulseelsorger weiß ich, dass manche mitmachen, wenn jemand zum Opfer gemacht werden soll, weil sie Angst davor haben, selbst abgestempelt zu werden. Kinder dürfen nicht zu Opfern werden. So lese ich die Geschichte von Isaak in der Bibel. Abraham war bereit, seinen Sohn Isaak zu opfern, aber der Engel Gottes hat es nicht zugelassen. „Tu ihm nichts“, sagt der Engel und rettet Isaaks Leben. Gott will keine Opfer. Auch die Schule kann dazu beitragen, dass es weniger Verlierer gibt.

Sebastian B., der 2006 in Emsdetten in Nordrhein-Westfalen Amokläufer in seiner Schule wurde, hatte vor seiner Tat geschrieben: "Das einzigste, was ich intensiv in der Schule beigebracht bekommen habe, war, dass ich ein Verlierer bin".
Der Soziologe Wilhelm Heitmeyer sagt, besonders wichtig ist, dass Jugendliche so viel Anerkennung bekommen, wie sie brauchen: genug Liebe in der Familie, reichlich Anerkennung der Leistung von den Lehrern und einen guten Stand in der Klasse. „Bekommt ein junger Mensch sehr viel weniger Anerkennung, als er sich wünscht“, „wird es gefährlich.“ Vielleicht hat Heitmeyer Recht, oft achten wir bei unseren Kindern zu sehr auf die Fehler, statt das anzuerkennen, was gut läuft, in der Schule und auch zuhause. Sich einmischen und Anerkennung aussprechen, das beides hilft zu verhindern, dass Kinder zu Opfern werden.