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Becker, Michael

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Kassel

„Wie haben wir es und wie hätten wir’s gern“

„Wie haben wir es und wie hätten wir’s gern“

„Die güldne Sonne voll Freud und Wonne.“ (Evangelisches Gesangbuch 449) Das Lied hat Hans gerne vor sich hingesungen, wenn er früh zur Arbeit fuhr. Hans hatte einen harten Job. Er war Bauleiter bei einer großen Baufirma.

Er wollte dem Stress und dem Druck etwas entgegensetzen, wenn er gesungen hat. Kein Gute Laune Lied, aber eine Hoffnung, das bedeutete für ihn dieses alte Kirchenlied wo’s heißt: „Aber nun steh ich, bin munter und fröhlich.“ Die Worte haben es ihm leichter gemacht, in den neuen Tag zu gehen. Er sagte: „Wenn es so was wie das Lied nicht gäbe, dann wäre alles noch n’ Tack schlimmer.“

In diesen Wochen mit ihren vielen schlechten Nachrichten hab ich mich an Hans und an sein Lieblingslied erinnert. Wenn die Nachrichten und die Tagesschauen heute wieder voll sind mit Horrormeldungen aus Somalia und Syrien, mit Bildern von brennenden Häuserzeilen und mit Nachrichten von aberwitzigen Schuldenbergen, dann nehme ich mir Hans zum Vorbild und denke, man muss den schlechten Nachrichten etwas entgegensetzen, mit den Worten aus diesem Lied: „…schaue den Himmel mit meinem Gesicht.“

Hans ist vor wenigen Jahren verstorben. Mir steht noch vor Augen, wie wir damals abends öfter zusammengesessen haben und wir haben geredet und diskutiert über Gott und Welt.

Und wenn dann mal die Meinungen hoch hergingen, dann hat Hans die Dinge wieder sortiert und hat gesagt: „Ihr müsst immer die Frage beantworten können – Wie haben wir es und wie hätten wir’s es gerne.“ Was ist Wunsch? Hans war Realist. Er liebte die klare Sprache.

Aber manchmal leistete er es sich, für sich und für andere etwas zu wünschen. Darum war ihm ein Satz in dem Lied von der güldenen Sonne aus dem Herzen gesprochen: “…wenn wir aufstehen, so lässt Gott aufgehen über uns seiner Barmherzigkeit Schein.“ Das war für Hans kein Satz, die Probleme unter den Teppich zu kehren, aber es war sein Satz zum vertrauen, dass das Leben freundlich ist.

Wenn ich in diesen Tagen wieder mal höre von Krise und vom Scheitern, von Crash und von Desaster, dann will ich die anderen Worte nicht vergessen, die wünschen, dass Barmherzigkeit aufgeht wie die Sonne.