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Kristen, Dr. Peter

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer und Studienleiter, Religionspädagogisches Institut Darmstadt

Eurostücke vor den Augen

Eurostücke vor den Augen

Da verstehen sich Geschwister ein Leben lang gut, bis, ja bis es ans Erben geht. Erben und streiten, das gehört dann oft zusammen. Manchmal glänzen dann bei Angehörigen Eurostücke in den Augen und trüben ihren Blick. Schließlich kommt man nie so leicht an Geld wie beim Erben.

Jesus ist dem Erben gegenüber eher skeptisch gewesen. Als ihn ein Mann einmal bittet, den Erbstreit mit seinem Bruder zu schlichten, schnauzt er ihn an: „Mensch, ich bin nicht zum Richter über eure Erbstreitigkeiten bestellt! Hütet euch vor der Habgier. Niemand gewinnt sein Leben aus seinem Besitz, auch wenn er noch so groß ist.“ (Lk 12) Habgier, das ist wie Eurostücke vor den Augen.

Das stimmt schon, ohne Geldsorgen lebt sich’s leichter, aber ein gutes Leben garantiert das noch lange nicht.

Ich finde, wer beim Erben nur auf den Moment schaut, wer nur fragt, was er bekommen kann, der sieht zu wenig. Eurostücke vor den Augen. Weg damit und Augen auf! Da gibt’s nämlich auch ein Vorher und ein Nachher.

Bevor ich sie vielleicht beerbe, haben mir meine Eltern schon viel gegeben. Klar, die blauen Augen hab‘ ich von meiner Mutter und die Lust am Reisen vielleicht vom Vater.

Da ist aber auch eine relativ sorglose Kindheit, eine liebevolle Erziehung und Mut zum Leben, eine Berufsausbildung, durch die ich selbst für mich sorgen kann.

Wenn meine Eltern nun ihr Haus verkaufen würden und eine Weltreise machen, oder das Ganze einmal für ihre Pflege verbraucht werden müsste, dann würde da auch niemand mehr erben können.

Ich will das würdigen, was ich schon geerbt habe. Und ich will im Blick haben, was wir einmal vererben werden.

Für viele Bauern ist genau dieser Blick in die Zukunft, auf die nächsten Generationen selbstverständlich. Ein Landwirt in meiner Nähe hat in dem Waldstück, das zu seinem Hof gehört, vor kurzem Holz geschlagen.

Er weiß: von seinen richtig wertvollen, alten Furniereichen kann er nur ein paar fällen und verkaufen. Den Rest der Zeit pflegt er den Wald und hinterlässt ihn dann intakt seinen Erben.

Wer beim Erben auch an das Davor und Danach denkt, entgeht vielleicht den Eurostücken vor den Augen