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Zöllner, Ute

Eine Sendung von

Evangelische Pfarrerin i.R., Pastoralpsychologin, Kassel

Du sollst nicht herrschen

Du sollst nicht herrschen

Sie heißen Gbagbo, Gaddafi, Mubarak - und haben eins gemeinsam: Sie kennen kein Maß außer sich selbst, räumen alles weg, was sich ihnen in den Weg stellt. Mehr noch: Sie lassen nicht die leisesten Fragen zu. Wer etwas infrage stellt, wer gar sie selbst infrage stellt, hat schon verloren, bevor die Frage zu Ende ist. Diktatoren haben sich zum Maß, beten nur sich an. Wenn sie lieben, dann sich selbst. Dafür ist ihnen jedes Mittel Recht.

Aber nicht nur in der Politik. Zwar liegen Welten dazwischen, aber Rechthaber und Selbstverliebte gibt es auch in der Familie, am Arbeitsplatz, in der Kneipe. Wehe, man widerspricht ihnen. Oder hat Zweifel. Dann kommt ihr Zwang zum Recht haben. Manche ertragen nicht, dass einer neben ihnen anderer Meinung ist, ein anderes Maß hat als sie. Die strafen sie dann mit Gebrüll, Verachtung oder Schweigen. Manchmal schlagen sie auch. Sie sind so unsicher und ohnmächtig, dass nur Rechthaben sie zusammenhält. Kommt man aus solch einem Zwang auch wieder heraus?

Ja, das kommt man, aber leider nur langsam. Die kleinen Tyrannen in der Familie oder im Betrieb müssen auf Menschen treffen, die ihnen die Stirn bieten und deutlich sagen: So nicht! Da muss jemand sein, der Widerstand wagt, lieber Fragen stellt und nicht allein um sich kreist. Jeder Rechthaber muss Menschen erleben, die friedlich streiten, fröhlich zweifeln können und auch dann gut schlafen, wenn sie mal keine Antwort wissen. Rechthaber brauchen Menschen, die noch ein anderes Maß kennen als nur sich selbst. Vielleicht die Liebe, vielleicht Gott. Oder beides. Also etwas, was sie jeden Tag ein wenig mehr von ihrem Thron holt. Du bist nicht Gott, muss man denen immer sagen und zeigen, die alles wissen, meistens besser. Oder, wenn sie von Gott nichts wissen wollen, muss man ihnen sagen oder besser noch zeigen: Du sollst nicht herrschen, sondern lieben. Nicht nur dich selbst, vor allem andere. Nur das erlöst dich von deinem Zwang zum Rechthaben. Dann spürst du, wie wertvoll du bist, auch wenn du irrst oder verlierst. Niemand muss herrschen. Geachtet wird, wer liebt.