hr1 ZUSPRUCH
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Becker, Michael

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Kassel

Anton mit seinen heißen Tränen

Anton mit seinen heißen Tränen

Gestern hat Anton sein Sparschwein geschlachtet. Weil das Geld unten durch das kleine Loch nicht alles ‘rauskam, hat er wirklich mit dem Hammer auf das Sparschwein geschlagen. 87 Euro sind drin. Damit will Anton helfen. Im Fernsehen hat er nämlich ein Kind gesehen, das Hunger hat. Mit der Hand sucht es Reis in einer leeren Schüssel. Anton starrt auf das Bild. Plötzlich muss er weinen. Heiße Tränen laufen ihm übers Gesicht. Er sieht nur das Kind und den Hunger. Er hört nichts mehr. Eine Milliarde Menschen hungern in der Welt, sagt der Sprecher im Fernsehen, so viele wie noch nie. Das hört Anton nicht. Er sieht nur das Kind. Und denkt an sein Sparschwein mit 87 Euro.

Am nächsten Morgen weiß Anton, was er tun will. Nämlich sein Sparschwein schlachten. Das Kind soll satt werden, sagt er sich. Das Kind hat mich angeschaut und braucht mich. Denkt Anton. Er ist elf Jahre alt und hat genug zu essen. Vom Hungern weiß er nichts. Er weiß nur, wo Afrika ist und dass es dort nicht oft regnet. Und hat mal gehört, dass man Brot und Reis nach Afrika schicken kann. Das will er jetzt tun. Mit seinen 87 Euro. Er denkt nur an das Kind. Nein, eigentlich denkt er gar nicht. Er fühlt nur dieses eine Kind. Und dass er dabei weinen musste. Das kommt nicht oft vor. Anton ist ja schon groß. Wenn er mal weint, muss viel passiert sein.

Es ist auch viel passiert. Das weiß Anton nicht. Aber er fühlt es. Seine Welt hat einen Riss bekommen. Es ist nicht alles heil, fühlt Anton. Da hungert ein Kind, das vielleicht so alt ist wie er. Er weiß nicht, dass die Bibel sagt: „Entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut“ (Altes Testament, Prophet Jesaja, Kapitel 58, Vers 7). Er fühlt es aber. Sein Herz klopft. Er ist froh, dass er etwas tun kann so kurz vor Weihnachten. Und nicht nur weinen muss, wenn ein Kind hungert. 87 Euro machen ein Kind satt, fast ein Jahr lang. Das weiß Anton nicht. Er fühlt aber, dass es jetzt auf ihn ankommt. Nur auf ihn. Er will helfen, wie er es kann. Und seine Mutter ist sehr stolz auf ihn.