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Becker, Michael

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Kassel

Advent in der multikulturellen Schule

Advent in der multikulturellen Schule

Um kurz nach acht sitzen die Kinder der vierten Klasse einer Frankfurter Grundschule im Kreis. Barbara Dilk, die Lehrerin, entzündet eine große Kerze in der Mitte und stellt einen Teller mit weihnachtlichem Gebäck daneben.

„Toll“, sagt Hüssein, „Baklava!“.

„Naja“, erklärt die Lehrerin, „Baklava haben muslimische Mütter am Ende des Ramadan vorbeigebracht, und die sahen ganz ähnlich aus. Aber das hier ist Weihnachtsgebäck. Jetzt feiern wir Advent und Weihnachten, ein christliches Fest.“

Wie feiert man Advent und Weihnachten in einer Klasse, in der jedes der Kinder aus einer Familie kommt, in der zu Hause nicht nur Deutsch gesprochen wird, sondern auch Serbisch oder Ghanaisch, Türkisch, Marokkanisch, Moldavisch, Arabisch oder noch eine andere Sprache. Was wissen diese Kinder überhaupt von Weihnachten?

Selbst wer von den Kindern von Haus aus christlich ist, kennt Weihnachten nur aus seinem eigenen Blickwinkel, zum Beispiel so, wie das Fest in Serbien gefeiert wird oder bei Christen im Irak. Sie erzählen davon, aber die Lehrerin findet, die Kinder sollen erleben, wie Weihnachten hier gefeiert wird.

„Morgen kommt der Weihnachtsmann“, singt Barbara Dilk leise mit den Kindern. Und schon fragt Hatice: „Wer ist das – der Weihnachtsmann?“ – „Der Nikolaus“, wissen andere. Aber Hatice fragt weiter. „Warum Weihnachten?“ Und schon reden die Kinder, erzählen und fragen. Die Lehrerin sortiert, ordnet, informiert geduldig.

Für sie ist Weihnachten ein ruhiges und ein stilles Fest. Die schöne und stimmungsvolle Seite dieser Zeit möchte sie die Kinder ihrer Schulklasse erleben lassen.

Ihr geht es nicht ums religiöse Bekenntnis. Aber sie sagt: „Ich kann doch mit den Kindern keine Weihnachtslieder singen oder Gedichte lernen, und die erleben und wissen nicht, wovon da die Rede ist.

Weihnachten feiern und gleichzeitig unterschiedliche Erfahrungen und Haltungen respektieren. Das ist eine Gratwanderung. Genau das versucht Barbara Dilk.

Ich bewundere Lehrerinnen und Lehrer, die bei solch einer Gratwanderung vorangehen, damit Kinder Advent und Weihnachten als eine schöne Zeit erleben.