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Das Vaterunser bindet Gefühle und verbindet Menschen

Das Vaterunser bindet Gefühle und verbindet Menschen

Ein Beitrag von Helwig Wegner-Nord, Evangelischer Pfarrer, Frankfurt

Journalistinnen und Journalisten gelten in ihrer Mehrheit als nicht besonders fromm. Eher als religions- und kirchenkritisch. Ich weiß gar nicht, ob das so stimmt. Aber auch mich hat es überrascht, als ich gelesen habe, was vor einem Jahr in Frankfurt geschehen sein soll.

Im Juni 2014 war der große Publizist und Zeitungsmann Frank Schirrmacher ganz überraschend gestorben. Bei einer späteren Gedenkveranstaltung in der Paulskirche hat Holger Steltzner, Mitherausgeber der FAZ, berichtet: „Als Frank Schirrmacher starb, haben in der Redaktion die Kolleginnen und Kollegen auf den Fluren geweint und wir haben gemeinsam das Vaterunser gebetet.“

Zeitungsredakteure beten gemeinsam das Vaterunser? Das Vaterunser-Gebet verbindet weltweit über 2 Milliarden Christen. Jesus selbst hat es seinen Jüngern als Gebet vorgesprochen und gesagt, dass sie in der Weise beten sollten, so kann man im Neuen Testament lesen. Das Vaterunser ist über alle Unterschiede der Sprachen und der Konfessionen hinweg für Christinnen und Christen das verbindende Element.

Aber offensichtlich ist es auch das Gebet, das Gefühle bindet und Halt spüren lässt. Gerade wenn wir erschrecken, wenn Angst aufkommt, wenn wir spüren, dass die eigenen Worte nicht reichen, um unsere aufgewühlte Seele zu beruhigen und zu trösten, dann lassen sich die wenigen Sätze des Vaterunser immer noch sprechen.

Das Vaterunser hilft uns selbst. Aber das Vaterunser ist ein Gebet, das auch andere mit einschließt. Es ist ja wohl kein Zufall, dass es da immer ‚uns‘ und ‚wir‘ heißt – und nicht ‚ich‘. ‚Unser täglich Brot gib uns heute‘ – das bezieht eben die hungrigen Kinder in Somalia mit ein. ‚Erlöse uns von dem Bösen‘ – das ist keine Privatbitte, sondern drückt auch eine politische Friedenszuversicht aus.

Vielleicht haben auch die Zeitungsredakteure im Juni 2014 das Vaterunser nicht nur für sich gebetet, um selbst so etwas wie einen Halt zu finden. Sondern haben es gebetet für Frank Schirrmacher, ihren großen Kollegen, von dessen plötzlichem Tod sie gerade erfahren hatten.

Dazu passt der Satz, der von Bert Brecht stammen soll: „Niemand unter den Sterblichen ist so groß, dass er nicht in ein Gebet eingeschlossen werden könnte.“

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