hr1 SONNTAGSGEDANKEN
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Hartmann, Christoph

Eine Sendung von

Lehrer und Referent für katholische Schulpastoral

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Einen roten Teppich für alle

I.

Wenn in Hollywood der Oscar verliehen wird oder auf der Berlinale der Goldene Bär, betreten die Stars den Ort des Geschehens meist über einen roten Teppich. In diesem Moment sind die Augen aller Zuschauer und alle Fotokameras auf die Stars gerichtet. Na klar, sie stehen im Mittelpunkt des Augenblicks.

Rote Teppiche kenne ich auch von Staatsbesuchen. Wenn Staatsoberhäupter andere Länder besuchen oder als z.B. das Oberhaupt der Katholischen Kirche Papst Benedikt 2005 zum Weltjugendtag nach Deutschland kam. Da lag eben ein solch roter Teppich vor der Gangway des Flugzeugs mit dem er angereist kam.

Rote Teppiche sprechen für mich eine klare Sprache. Egal ob auf der Berlinale oder am Flughafen. Sie verdeutlichen, dass hier jemand kommt, der aus der gesellschaftlichen Masse heraussticht. Damit verbinde ich Bewunderung, Anerkennung und Wertschätzung.  Es unterstreicht die Aufgabe, das Amt oder das besondere Talent der Person.

Natürlich kann so ein roter Teppich auch schmeicheln, aber positiv betrachtet, ist der Teppich ein Zeichen der Wertschätzung und Gastfreundschaft. Ich freue mich, dass du zu uns kommst. Schön, dass du bist!

Diese Zusage gilt natürlich nicht nur den Stars unserer Welt. Aus meiner religiösen Überzeugung trifft sie eben auf alle Menschen zu. Es ist nur schade, dass die wenigsten von uns einen solch roten Teppich ausgerollt bekommen. Da muss man schon selbst Hand anlegen oder die Gelegenheit nutzen, wenn mal eben ein roter Teppich in der Landschaft liegt. Vor einiger Zeit hat sich meiner Frau und mir eine solche Gelegenheit geboten. Es war beim Bonifatiusmusical in Fulda. Während der Pause haben wir ihn entdeckt. Einen roten Teppich, der vor dem Logo des Musicals ausgerollt lag und mit vielen Lichtern in Szene gesetzt wurde. Das war ein tolles Setting. Vielleicht ahnen Sie schon. Ruck zuck standen wir auf dem Teppich, grinsten über beide Backen und unsere Freunde schossen ein Foto von uns. Auch wenn es nur eine Kamera war und keiner applaudierte. Ich muss gestehen: Das war ein tolles Gefühl.

Und dieses Gefühl konnten eben alle Musical Besucher erleben. Sie hatten die Gelegenheit einen Moment im Rampenlicht zu stehen und auf besondere Weise zu spüren: Schön, dass du da bist. Eben: wie die richtigen Stars.

II.

Um einen ganz anderen Star geht es am heutigen Sonntag. Denn schon bereits vor 2000 Jahren wurde auch für ihn eine Art Teppich ausgebreitet. Dieser war nicht rot, sondern vielmehr waren es Kleider und Palmzweige, die ihn auf eine ganz besondere Weise in Jerusalem haben einziehen lassen. Ganz klar: Der Star um den es geht, ist Jesus. Und das Fest, das Christen heute feiern, hat seinen Namen von den Palmzweigen, mit denen die Menschen Jesus zuwinkten und vor ihm ausbreiteten: Es ist der Einzug Jesu in Jerusalem, der Palmsonntag.

Mit Blick auf Jesus: Was macht ihn zum Star? Für mich sind es seine Ausstrahlung, sein Wirken und Reden. Die Menschen spüren, dass er jemand ist, der mit Vollmacht spricht. Sein Wort hat Gewicht. Und er scheut sich nicht, den Mächtigen oder dem Mainstream ins Gewissen zu reden. Diese Aura, die Jesus umgibt, muss so beeindruckend gewesen sein, dass sogar gestandene Männer ihre Werkzeuge liegen lassen und gemeinsam mit vielen Frauen Jesus nachfolgen. Diese Begeisterung erleben die Menschen eben auch, als Jesus in Jerusalem einzieht. Jesus ist wirklich der „Star“ und er ist es Wert gefeiert zu werden. Aber, Moment mal. Braucht es denn diesen ganzen Hype um Jesus? Sicherlich braucht Jesus diesen Hype um seine Person nicht. Er bevorzugt es vielmehr ein ganz anderes Zeichen zu setzen. Er zieht reitend auf einem Esel in Jerusalem ein.

Es ist die Spannung zwischen dem Hosanna-Jubel, der Begeisterung auf der einen Seite und der „schlichten Art“, die durch den Esel zum Ausdruck gebracht wird, auf der anderen Seite. Jesus braucht diesen Jubel um seine Person nicht! Er erduldet es vielmehr. Denn er weiß, wie schnell dieser Hosanna-Jubel in den Ruf „ans Kreuz mit ihm“ umschlagen wird.

Durch diese Kreuzesperspektive bekommt der Star Jesus noch einmal eine ganz andere Qualität. Nicht Pomp und Gloria sind ihm eigen. Sondern seine Botschaft ist es, die der Esel als Nutztier deutlich macht. Wer von euch der größte sein will, soll der Diener aller sein“.

Von daher wird auch schnell klar, dass Jesu Botschaft ein ganz anderes Ziel verfolgt. Es geht ihm nicht um die Befreiung von der römischen Besatzungsmacht, wie sich so viele erhofft haben. Nein, es geht ihm um die Befreiung von den Mächten, die vom Dienen abhalten.  Es geht ihm um Umkehr, Neuausrichtung hin auf das Himmelreich. Der SchlüsseI, der das Reich Gottes aufschließt, ist das Dienen. Es geht nicht darum sich bedienen zu lassen, sondern selbst zu dienen. Das ist die Botschaft Jesu. Interessanter Weise ist diese Botschaft vom Dienen auch in unserer Gesellschaft tief verankert.

Vor einigen Tagen war ich froh über einen solchen Dienst. Es war der ärztliche Bereitschaftsdienst, den ich mit meinem Junior aufsuchen musste. Vielen Dank für diesen und die vielen anderen wertvollen Dienste, die Menschen für unsere Gesellschaft leisten.

Auch in der katholischen Kirche hat das Dienen eine besondere Bedeutung. Schon einer der Titel des Papstes macht dies deutlich: Diener der Diener Gottes. Oder werfen wir einen Blick auf die beiden Sakramente Ehe und Priestertum. In der Ehe kommt dieser Dienstcharakter dadurch zum Ausdruck, dass ich versuche die Bedürfnisse meiner Frau in den Blick zu nehmen und meine hinten anstelle. Es geht um ein neues Mindset: Zu lernen, den anderen groß zu sehen, eben ihm zu dienen. Ähnlich gilt das auch für die Priester, die mit ihrer Berufung eine ganz besondere Nachfolge Jesu wagen. Sie dienen den Menschen. Sie wollen sie auf dem ganz eigenen Glaubensweg begleiten.

Beide Berufungen - zur Ehe und zum Priestertum - haben die gleiche Intension. Es geht ihnen um das Dienen. Um im Bild zu bleiben, es geht darum: den anderen auf den roten Teppich zu stellen.

III.

Menschen auf den roten Teppich zu stellen, kann schon dadurch gelingen, indem ich mit ihnen Zeit verbringe. Für mich als Ehemann: Wenn wir einen gemeinsamen Spaziergang machen oder eine Tasse Kaffee nach dem Mittagessen genießen. Was für die Ehe wichtig ist, gilt natürlich auch für die uns anvertrauten Kinder. Da geht es darum: einfach da zu sein. Mit meinen Kindern Lego spielen, Vokabeln abfragen, Taxidienste übernehmen oder einfach für sie ansprechbar sein. …. Na ja, Sie wissen schon!

Dabei glaube ich zutiefst, dass diese alltäglichen Dienste die Botschaft Jesu in die Tat umsetzen. Jeder versteht sofort, dass das ein durchaus sportliches Ideal ist, an dem die katholische Kirche nicht nur die Ehe ausrichtet. In meiner Jesus Nachfolge weiß ich mich bei allem Scheitern und Gelingen in guter Gesellschaft. Denn Jesus hatte schon damals keine Vollprofis in seine Nachfolge gerufen. Es waren eben Sünder. Menschen mit Ecken und Kanten.

Diese Erkenntnis führt wieder zurück zum heutigen Palmsonntag, mit dem wir in die heilige Karwoche eintreten. Für mich als Christ ist es eine sehr dichte Zeit. Ich darf mich in diesen Tagen dem Geheimnis des Leidens, des Todes und der Auferstehung Jesu Christi nähern. Konkret: Ich darf meinen Lebensweg mit dem Weg Jesu in Verbindung bringen. Ich darf Jesus auf seinem Weg begleiten und kann so teilhaben an dem heutigen Hosanna-Jubel. Ich darf seinen Leidensweg bis ans Kreuz mitgehen und schließlich in den Osterjubel über die Auferstehung an Ostern einstimmen.

Und genau das sind die Punkte, die auch mein Leben ausmachen. Die Zeiten, in denen zu Hause alles glatt geht oder mir Schüler ein tolles „Lehrerzeugnis“ ausstellen. Alles läuft rund. Neben diesen Jubelzeiten kenne ich aber auch Zeiten des Kreuzes. Da wird die Zeit der Quarantäne zur Qual. Die Nerven liegen blank. Die Sehnsucht nach Leben steigt ins Unermessliche. Wie schön ist es da, wenn ich dann die Last der Quarantäne ablegen kann und es endlich Frühling wird - in der Natur als auch in den Herzen der Menschen. Das Leben hat uns wieder! Das ist Auferstehung im Kleinen! Und so, wie das für die Zeitspanne hier auf Erden gilt, hat dies auch seine Bedeutung mit Blick auf das große Ende. Wenn auf Erden die letzte Stunde geschlagen hat und alles neu wird.

Vorerst aber bleiben der Hosanna-Jubel, das Kreuz und die Auferstehung. Es sind die Facetten meines Lebens. Und nur weil Jesus diesen SEINEN Weg gegangen ist, kann ich mein Leben mit seinem in Verbindung bringen. Diese Verbindung zwischen Jesu und meinem Leben bringt schließlich Freude und Heil. Sie lässt mich spüren, dass bei Jesus eben alle auf dem roten Teppich stehen.